Rezension

(K)Eine Liebesgeschichte

6 Uhr 41 - Jean-Philippe Blondel

6 Uhr 41
von Jean-Philippe Blondel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Vor 27 Jahren waren Cecile und Philippe für kurze Zeit ein Paar. Ein Kurztrip nach London beendete damals das Glück und sie haben sich nie wieder gesehen. Bis sie eines Tages durch Zufall in einem Zug nach Paris nebeneinandersitzen. Beide schweigen und hängen den eigenen Gedanken an die gemeinsame Zeit und das eigene Leben nach.

Die Protagonisten des Romans haben es mir nicht leicht gemacht, sie zu mögen. Beide sind keine wirklichen Sympathieträger; zu groß die Selbstverliebtheit und der Egoismus. Trotzdem hat mir der Roman sehr gut gefallen; ich habe mitgefiebert, ob die beiden sich doch noch ansprechen und wie es dann weitergeht oder ob das Schweigen andauert, weil die beiden zu unversöhnlich sind.

Jean-Philippe Blondel schreibt immer sehr gut und hat hier ein sehr feines Buch über verpasste Möglichkeiten geschrieben, so daß man sich als Leser selber die Fragen stellt: Was wäre wenn? Was wäre, wenn ich mich manchmal anders entschieden hätte? Wäre mein Leben anders, vielleicht besser verlaufen? Hätte ich über meinen eigenen Schatten springen sollen? Oder kann ich das jetzt noch? Fragen, die sich Cecile und Philippe während einer Fahrt von 90 Minuten stellen. 

Fragen, auf die man als Leser am Ende keine Antwort bekommt. Das Ende ist für mich eine Überraschung gewesen, denn es hält alle Möglichkeiten offen. So offen, wie das Leben nun mal ist. Im Gegensatz zu anderen denke ich schon, daß hier eine Liebesgeschichte vorliegt: Wenn sich zwei Menschen nach 27 Jahren zufällig wiedersehen und das zu soviel Gedanken und offenen Fragen führt, kann ich schon von Liebe ausgehen. Keine romantische Liebe im traditionellen Sinn, aber eine Liebe, die beide, wenn auch unbewusst, immer in sich getragen haben.

Kommentare

LySch kommentierte am 27. April 2017 um 08:45

Ui, eine kleine, aber feine Rezi! :)
Kenne noch nichts von diesem Autor, aber schleiche immer drum herum ;)
Hat es diesen typisch französischen Charme oder ist es insgesamt ruhiger gehalten?