Rezension

Kinder am Rande der Gesellschaft

Das Mädchen mit dem Fingerhut - Michael Köhlmeier

Das Mädchen mit dem Fingerhut
von Michael Köhlmeier

Zum Inhalt:

Ein 6-jähriges Mädchen ist in einer Stadt, in der es keinen Menschen versteht. Ein „Onkel“, den sie ebenfalls kaum versteht, schickt sie in einen Laden, in dem sie etwas zu essen bekommt und den Tag im Warmen verbringen kann. Am Abend läuft sie weg, wird von dem „Onkel“ abgeholt, kommt aber jeden Tag immer wieder. Als eines Tages der „Onkel“ nicht mehr erscheint, geht das Mädchen auf die Suche, verläuft sich und muss die Nacht in einem Müllcontainer verbringen. Das ist für sie nicht neu. Am nächsten Tag schläft sie im Zwischenraum zwischen den Türen eines Restaurants. Von hier wird sie von der Polizei abgeholt und in ein Heim eingeliefert.
Im Heim wird sie liebevoll von einer Schwester behandelt, doch schon in der ersten Nacht läuft sie zusammen mit zwei Jungen weg. Einer von ihnen, Schamhan, kann ihre Sprache. Der andere, jüngere Arian, versteht nur Schamhan. Das Mädchen nennt sich Yiza, obwohl das kein Name ist. Die drei machen sich auf den Weg zu einem Haus am Stadtrand, in dem sie zusammen den Winter verbringen könnten. (Ob es dieses Haus wirklich gibt?) Schamhan führt sie dorthin, aber bald wird es klar, dass er selbst den Weg nicht kennt. Mehrere Tage sind sie unterwegs, schlafen im Wald, werden ganz nass vom Regen. Nach mehreren Tagen kommen sie in eine Siedlung. Gejagt vom Hunger, brechen sie in ein Haus ein, essen die Bäuche voll, nehmen so viel mit, wie sie tragen können und laufen wieder weg. Die Polizei findet sie wenig später nach frischen Spuren im Schnee. Alle drei landen auf der Polizeistelle.
In der Nacht gelingt es Arian und Yiza zu fliehen. In einem Lastwagen versteckt, kommen sie in eine andere Stadt. Yiza ist krank, sie hat hohes Fieber. Die beiden brechen in ein Gartenhaus ein. Später macht sich Arian auf den Weg in die Stadt, um Aspirin zu holen, das Yiza helfen soll. So hat es Schamhan mal gesagt. Er bettelt und bekommt relativ viel Geld. Aber Aspirin hilft nicht. An einem anderen Tag, als Arian aus der Stadt zurückkehrt, sieht er eine Frau im Gartenhaus und läuft weg.
Die Frau holt Yiza ins Haus, sie wird behandelt und ist bald wieder gesund. Nun lebt sie bei dieser Frau, eingesperrt in einem Zimmer. Sie lernt die Sprache der Frau. Aber als sie einige Monate später Arian durch das Fenster sieht, nutzt sie die Situation aus und sperrte die Frau in der Küche ein. Sie holt Arian ins Haus und er… erschlägt die Frau…. Und schon wieder sind sie auf der Flucht. Yiza hat Angst vor dem jüngeren Arian. Aber sie folgt ihm. Zu den anderen, einer „Horde von Zerlumpten, die bereits zu alt sind für Mitleid und Rührung“….

Zum Buch:

Ich fand das ein schönes Buch, das ein trauriges, aber wichtiges Thema anspricht: Wie die Kinder außerhalb der Gesellschaft leben. Ich konnte die Beweggründe von Yiza nicht immer nachvollziehen. Warum sie aus dem Heim flieht, wenn es dort warm ist und Essen gibt, wo sie gut behandelt wird. Warum sie sich später für Arian und gegen die Frau entscheidet, die ihr Leben gerettet hatte. Warum sie weiter auf der Straße schlafen will und nicht in einem Haus. Nichtsdestotrotz finde ich die Geschichte absolut realistisch und umso trauriger. Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregen soll, warum diese Kinder lieber auf der Straße bleiben wollen und was für sie gemacht werden kann.
Den Schreibstil des Autors fand ich sehr ansprechend. Er hielt die Spannung und entsprach der allgemeinen Stimmung im Buch. Das Buch selbst las sich dadurch sehr schnell und angenehm.
Der einzige Minus-Punkt bei mir ist das Ende der Geschichte. Ich fand es ein wenig abrupt. Es bleibt die Geschichte offen (was eigentlich keine Seltenheit ist), aber ich hätte gerne erfahren, was weiterhin mit den drei Kindern passierte.
Ansonsten ein lesenswertes Buch, das ich gerne weiterempfehlen möchte.