Rezension

Kindheitsende Völkermord

Kleines Land - Gaël Faye

Kleines Land
von Gaël Faye

Bewertet mit 4 Sternen

Burundi, eines der kleinsten Länder Afrikas., Ende der 1980er, Beginn der 1990er Jahre. Gaby (Gabriel) ist der Sohn eines als Entwicklungshelfer nach Afrika gekommenen Franzosen und seiner aus dem Nachbarland Ruanda stammenden Frau. Seine Kindheit in einer kleinen Nebenstraße in der burundischen Hauptstadt ist zunächst glücklich und sorgenfrei, aber nach und nach greifen die Konflikte zwischen Hutu und Tutsi auch auf sein Leben über. Der Autor verarbeitet in diesem Buch seine eigene Kindheit, deren Eckdaten denen seiner Romanfigur entspricht.

Das Buch hat den Schüler-Goncourt gewonnen und tatsächlich funktioniert der Roman sicherlich auch schon für Jugendliche, die können sich mit den alltäglicheren Problemen Gabys, wie sie die erste Hälfte des Romans ausmachen vermutlich leicht identifizieren. Doch dann geht es nicht mehr nur um Konflikte in der Freundesclique, soziales Verhalten, wenn einem das Fahrrad geklaut wird oder darum, dass die Beziehung der Eltern immer schwieriger wird und eine Trennung droht. Die Konflikte zwischen Hutu und Tutsi im Nachbarland Ruanda wachsen sich zu offenen Kampfhandlungen aus, die seine Verwandtschaft direkt betreffen und auch in Burundi gibt es einen Putsch und die ersten Toten. Die Forderung an Gaby, sich zu seiner Abstammung zu bekennen und nicht zu versuchen, eine pazifistische und neutrale Rolle einzunehmen, werden immer drängender, bis er eines Abends nicht mehr ausweichen kann, ihm bleibt nur noch die Wahl zwischen Mittäter und Opfer.

Faye schildert das Geschehen glaubwürdig und in bildhafterer Sprache als ich es von französischen bzw. französischsprachigen AutorInnen gewohnt bin. Er schreibt voller Herzlichkeit, man versteht den Jungen, der gerne einfach nur noch ein wenig länger ein glückliches Kind sein würde. Der Wahnsinn des Bürgerkriegs wird explizit beschrieben und bleibt dabei doch für Gaby und die LeserInnen des Buchs gleichermaßen unverständlich. Gaby hat ebenso wie der Autor das Glück, einen französischen Pass zu besitzen und so legal vor dem Krieg fliehen zu können. Vor den gleichen Erlebnissen fliehen aber auch viele der Menschen, die heute als Flüchtlinge ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren und so wirbt Faye zugleich für Verständnis für alle, die nicht die Entscheidung zwischen Sterben und Töten fällen wollen, sondern nur ein friedliches Leben und vielleicht ein wenig Glück suchen.