Rezension

King-Klassiker

The Stand - Das letzte Gefecht
von Stephen King

Bewertet mit 4 Sternen

USA, 1990: Eine Grippe-Pandemie hat 99% der Menschheit innerhalb weniger Wochen dahingerafft. Die Überlebenden im entvölkerten Nordamerika scharen sich um zwei charismatische Führer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

 

Viele Worte muss man zum Inhalt dieses Buches nicht verlieren, der dürfte den meisten Interessierten bekannt sein. Ich bin schon seit früher Jugend ein Fan von Stephen Kings Büchern, aber es gibt trotzdem vereinzelte ältere Werke, die ich bisher noch nicht gelesen habe, was ich allerdings in nächster Zeit nachholen möchte. "The Stand" gehörte zu dieser Handvoll Bücher, und obwohl es schon immer in der Urfassung in meinem Regal steht, habe ich es erst jetzt gelesen. Ich muss ehrlich zugeben, dass mich zum einen allein der Umfang ein wenig abgeschreckt hat, und zum anderen die Tatsache, dass das Buch in mittlerweile drei verschiedenen Versionen erschienen ist, und man gar nicht mehr so richtig durchblickt, zu welcher Fassung man denn nun am besten greifen sollte.

 

Die erwähnte Ausgabe in meinem Regal umfasst etwa 1000 Seiten und spielt im Jahr 1980, die neueste Fassung bringt es in der Taschenbuchausgabe auf ganze 1700 (!) Seiten, und spielt zehn Jahre später, also im Jahr 1990. Nach einigen Internet-Recherchen habe ich mich dazu entschlossen, die noch dickere, aber vollständige Version zu lesen, die im Jahr der Ersterscheinung nicht so extrem gekürzt wurde, um die Handlung zu straffen und das Buch dadurch besser zu machen, sondern alleine aus drucktechnischen Gründen. Da es King offensichtlich ein Anliegen war, die überarbeitete Urversion seines Buches zugänglich zu machen, wollte ich auch die vollständige Fassung lesen.

 

Wenn man King-Fans nach ihrem Lieblingsbuch des Meisters befragt, wird "The Stand" neben "ES" eigentlich am häufigsten genannt, daher war ich sehr gespannt, wie es mir wohl gefallen wird. Leider muss ich zugeben, dass es mich zu Beginn nicht sonderlich vom Hocker gehauen hat, weil mir der Weg zum "letzten Gefecht" schon sehr weit vorkam, und durch die nur sparsam dosierten Perspektivwechsel zwischen den beiden rivalisierenden Gruppen nicht allzu viel Spannung aufgebaut wird. Ich habe bei King-Büchern normalerweise immer das Gefühl, dass ich etwas völlig neues, noch nie Dagewesenes lese, in diesem Fall allerdings hatte ich eher den Eindruck, eine Story vor der Nase zu haben, die ich schon diverse Male in abgewandelter Form gelesen oder gesehen habe.

Daher musste ich irgendwann, so etwa in der Mitte des Buchs, einfach mal einen Schritt zurücktreten und über diesen Eindruck nachdenken - und mir in Erinnerung rufen, dass das Buch bereits im Jahr 1978 zum ersten Mal veröffentlich wurde. 1978, das heißt also ganze siebzehn Jahre vor dem Film "Outbreak - Lautlose Killer" aus dem Jahr 1995, und wahrscheinlich mindestens dreißig Jahre vor der großen Dystopie-Welle in Filmen und Büchern. Im Jahr 1978 war das Thema mit Sicherheit neu, frisch und furchterregend - und natürlich brauchte es da auch mal die ein oder andere ausführliche Erklärung - beispielsweise über die Wege, wie sich der Virus so schnell verbreiten konnte.

 

Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist leider die Überarbeitung. Die erste Version spielte eine kurze Zeit in der Zukunft, und bei der ersten Veröffentlichung der überarbeiteten Fassung wollte man das beibehalten, weswegen die Handlung kurzerhand ins Jahr 1990 verlegt wurde. Leider haben sich dadurch ein paar Anachronismen eingeschlichen: Eine Überlebende hat beispielsweise panische Angst vor randalierenden und plündernden Hippies. Hippies? 1990? Da wären vielleicht Punks glaubhafter gewesen. Irgendwann macht sich jemand Gedanken, ob die Seuche wohl auch hinter dem Eisernen Vorhang zugeschlagen hat - hier konnten wohl die geschichtlichen Ereignisse Ende 1989 nicht mehr rechtzeitig vor der Veröffentlichung berücksichtigt werden.

 

Insgesamt konnte "The Stand" für mich persönlich "ES" als Lieblings-King zwar nicht ablösen, aber letztendlich hat es mich dann trotz einiger Längen im Mittelteil überzeugt. Schon alleine durch die Überschneidungen zum "Dunklen Turm" hat sich das Lesen für mich gelohnt, auch wenn es mir persönlich besser gefallen hätte, die Handlung weiterhin im Jahr 1980 zu belassen. Irgendwann werde ich auch noch die Urfassung lesen, weil mich sehr interessiert, welche Passagen ursprünglich als verzichtbar gestrichen wurden - vielleicht stellt sich da heraus, ob weniger in dem Fall vielleicht tatsächlich mehr gewesen wäre.