Rezension

Klare Leseempfehlung

Das Jahr, in dem ich dich traf
von Cecelia Ahern

Eine Reise durch Jahreszeiten und Gefühle

Inhalt:

Jasmine liebt ihre Schwester und ihre Arbeit. Als sie für ein ganzes Jahr freigestellt wird, weiß sie überhaupt nicht mehr, was sie tun soll – und wer sie eigentlich ist. Matt braucht seine Familie und den Alkohol. Ohne sie steht er vor dem Abgrund.

Jasmine und Matt sind Nachbarn, doch sie haben noch nie miteinander gesprochen. Da Jasmine so viel freie Zeit zu Hause hat, beginnt sie, Matt zu beobachten. Sie macht sich ihre Gedanken über ihn und fängt in ihrem Kopf Gespräche mit ihm an. Nur in echt will sie mit diesem Kerl nichts zu tun haben – dafür hat sie ihre eigenen, guten Gründe. Doch dann beginnt ein Jahr voll heller Mondnächte, langer Gartentage und berührender Überraschungen – ein Jahr, das alles verändert.

Der erste Satz:

        Ich war fünf Jahre alt, als ich erfuhr, dass ich irgendwann einmal sterben würde. 

Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein riesiger Cecelia-Ahern-Fan bin. Bereits nach ihrem Debütroman P.S.: Ich liebe Dich war ich ihrem Schreibstil und ihren authentischen Charakteren verfallen; und auch heute noch bin ich nach jedem ihrer Werke aufs Neue fasziniert und bezaubert von der Art, wie sie alltägliche Geschichten erzählt - meist durchaus realistisch und doch auf poetische Weise und mit einem Hauch Magie.

Schon lange habe ich mich auf Das Jahr, in dem ich dich traf gefreut. Doch vorweg sollte ich sagen, dieses Buch ist keine Liebesgeschichte, auch wenn der Klappentext uns potentielle Leser das denken lässt. Zunächst war ich davon etwas enttäuscht, aber umso weiter ich las, umso besser gefiel es mir, dass Cecelia Ahern in dieser Geschichte mehr Wert auf Familienverhältnisse und die Entwicklung einer Freundschaft gelegt hat. Laut dem Klappentext sollen Das Jahr, in dem ich dich traf vier Jahreszeiten voller Aufbruch, Freundschaft, Liebe und Hoffnung sein. Und das habe ich beim Lesen durchaus auch so empfunden. Denn es geht darum, dass Jasmine, die Anfang dreißigjährige Protagonistin ein Jahr Zeit findet, über sich und ihr Leben nachzugrübeln und zu erkennen, dass sie vielleicht doch einiges daran ändern sollte.

Schon nach dem ersten Kapitel ist klar: Jasmine ist ein Mensch, der rasant lebt und mehr Zeit in ihre Arbeit als in sonst irgendetwas aus ihrem Privatleben steckt. Umso größer ist der Schock, als ihr gekündigt und gleichzeitig verboten wird, das nächste Jahr eine neue Stelle zu beginnen. So wird sie innerhalb des so genannten Gardening Leave zwar weiterhin bezahlt, hat aber jede Menge Freizeit. Anfangs findet sie das noch ganz nett, weil sie so endlich einmal zur Ruhe kommen und all die Dinge machen kann, für die sie sonst in ihrem hektischen Arbeitsalltag keine Zeit hatte - wie beispielsweise mehr Zeit mit Freunden verbringen, ein Buch lesen, ausschlafen und sich um ihren Garten, der bisher nur aus Steinfliesen bestand, kümmern. Doch nach zwei Monaten vergeht ihr der Spaß und die viele Freizeit, die sie hat, verbringt sie nun damit, sich Gedanken zu machen - und die sind nicht gerade positiv. Sie merkt, dass sie ihre Zeit nie so ausgekostet hat, wie sie es sich eigentlich bereits als Kind vorgenommen hat; sie fühlt sich nutzlos und bemitleidet und realisiert, dass alle um sie herum erwachsen geworden sind, während sie zwar erfolgreich wurde, aber nie ein Projekt zu Ende gebracht hat. Und zu allem Übel fühlt sie sich auch noch schrecklich einsam.

Mit ihren Nachbarn kann sie nicht sehr viel anfangen; den Herren, der gegenüber wohnt und jede Nacht sturzbetrunken und polternd nach Hause kommt und damit nicht nur seine Frau in den Wahnsinn treibt, kann sie nicht einmal besonders gut leiden. Doch da Jasmine nun jede Menge Zeit hat und sich innerlich sträubt, über sich selbst nachzudenken, beginnt sie, sich gedanklich in Matts Leben einzumischen ... bis die beiden irgendwann tatsächlich miteinander zu tun bekommen.

Nun erwartet man eigentlich ganz klassisch ein oder zwei Perspektiven aus der dritten Person, aber die irische Bestsellerautorin überrascht mit Jasmine als Ich-Erzähler, die Matt in ihren Gedanken stets in der "Sie"-Höflichkeitsform anspricht. Das heißt, sie spricht den Leser quasi direkt an; als wäre es eine Art Tagebuch, das an Matt und nur an Matt gerichtet ist ...

[was mir persönlich sehr gut gefallen hat; ich mag Bücher, die direkt zu mir sprechen und mir das Gefühl geben, mich in ein tiefgründiges Gespräch verwickeln zu wollen]

... und vielleicht war dies auch Cecelia Aherns Absicht, denn immerhin ist Matt seiner Nachbarin im Laufe der Geschichte eine immer größere Hilfe bei ihrer Selbstfindung und hilft ihr, ihren Garten und den Chaosgarten in ihrem Kopf in Ordnung zu bringen. Und auch Jasmine weist Matt den richtigen Weg zurück zu seiner Familie und weg vom Alkohol.

Familie spielt im Allgemeinen eine sehr große Rolle in diesem Roman, denn nicht nur Matt hat den größten Streit mit seiner Ehefrau und seinem Teenagersohn, sondern auch Jasmine kämpft mit familiären Problemen - sowohl mit welchen aus ihrer Vergangenheit (dem Tod; dem Liebesgeständnis ihres Cousins; der Tatsache, dass ihr Vater nie ein besonders guter Vater gewesen ist), als auch aktuelle, die ihr im Laufe der Geschichte erst bewusst werden; wie beispielsweise ihre Art mit ihrer älteren Schwester umzugehen. Heather hat Down-Syndrom und kommt damit eigentlich wunderbar klar, dennoch kann Jasmine nichts dagegen tun, dass sie ihre Schwester rund um die Uhr bemuttern und auf sie aufpassen möchte. Dabei ist es Jasmine, die nach dem Tod ihrer Mutter viel mehr auf Heather angewiesen ist als umgedreht.

Nach und nach krempeln Jasmine und Matt ihr Leben um, lernen es, sich von anderen helfen zu lassen und Leute nicht immer nur auf Distanz zu halten. Am Ende gipfelt das Ganze vielleicht in einem etwas überzogenem Finale, dennoch ist es ein Buch, das ich jedem empfehlen kann, der gerade in einer Umbruchphase steckt oder eine solche schon einmal durchgemacht hat. Ich jedenfalls musste beim Lesen des Öfteren Nicken und Schmunzeln; und wie üblich, hat mich auch nach dem Lesen die Geschichte aus diesem Buch noch nicht komplett losgelassen. Typisch Cecelia Ahern eben!

Fazit:

Für ein Buch, in dem Cecelia Ahern einmal etwas Neues ausprobiert, ihrer poetisch-romantischen und nachdenklich stimmenden Art zu Schreiben jedoch treu bleibt; für interessante Charaktere, insbesondere eine Protagonistin, die ich meistens absolut verstehen konnte und mit der ich mich oftmals sogar identifizieren konnte; für eine Geschichte, die von einem Jahr erzählt, das einen Lernen lässt über das Leben und die Liebe (nicht nur beziehungstechnisch, sondern auch familiär und freundschaftlich) und über die Notwendigkeit manchmal loszulassen und locker zu sein; dafür gibt es von mir 5 Sterne :-)