Rezension

Kleiner, feiner, überraschend spannungsgeladener Jugendthriller

Der Jahrbuchcode - Petra Mattfeldt

Der Jahrbuchcode
von Petra Mattfeldt

~ Petra Mattfelds „Jahrbuchcode“ ist ein kleiner, feiner Jugendthriller, der perfekt auf das Zielpublikum ab 12 zugeschnitten ist und der sich optimal für Krimi- und Thriller-EinsteigerInnen eignet. Mit dem einfachen, angenehmen Schreibstil, den sympathischen Figuren, der interessanten, wendungsreichen Geschichte und der atemlosen Spannung wickelt das Buch bestimmt auch Lesemuffel schnell um den Finger. Die kleineren Schwächen bei der Figurenzeichnung und beim Schreibstil kann ich verzeihen, weil sie den jungen LeserInnen vermutlich nicht störend auffallen werden. ~

Inhalt

Die Jahrbuch-AG war schon immer ein Sammelbecken für jene, die im letzten Moment noch Arbeitsstunden sammeln müssen, um zum Abitur antreten zu dürfen. In diesem Jahr setzt sich die Truppe aus Philipp, Niklas, Lilly und Eltis zusammen – und das Jahr verspricht nicht gerade, spannend zu werden. Doch beim Durchsehen der alten Jahrbücher fällt den Jugendlichen etwas auf: Seit vielen Jahren taucht am Klassenfoto der 10c immer wieder der gleiche Junge auf. Wer ist das? Und was hat das alles zu bedeuten? Als die Teenager nachzuforschen beginnen, wird schnell klar: Jemand will das Aufdecken des Geheimnisses verhindern…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Reihe
Weitere Bände: Band #2, „Der Jahrbuchcode - SOS EMILIA O.“, ist bereits erschienen
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: verschiedene Perspektiven
Kapitellänge: kurz
Tiere im Buch: +/- Eine tote Ratte wird als Drohung benutzt. Ein Reh wird angefahren und dann getötet. Eine Person hetzt ihren Hund auf einen Einbrecher, wobei dieser schwer verletzt wird. Jedoch tut es dieser Person dann sehr leid, der Hund wird generell sehr umsorgt und liebevoll behandelt.

Warum dieses Buch?

Der Klappentext klang nach einer frischen, neuen Idee für einen Thriller. Ich war zudem wirklich neugierig, was hinter den rätselhaften Fotos steckt

Meine Meinung

Einstieg (+)

Den Einstieg empfand ich als sehr gelungen, denn wir sind gleich mittendrin. In einer locker-lustigen Anfangsszene erhalten wir einen ersten Einblick von der unbeliebten Jahrbuch-AG und ihren neuesten Mitgliedern. Auch WenigleserInnen werden hier sicher nicht abgeschreckt, sondern werden schnell ins Buch finden.

„[Der Schulleiter] drückte Niklas einen großen und einen kleineren Schlüssel in die Hand.
‘Was ist das?‘
‚Der Sicherheitsschlüssel ist für die Tür dieses Raums. Und der kleinere ist für das Pult da drüben. Da ist alles drin. Und da du der Erste bist, ernenne ich dich hiermit zum Verantwortlichen der diesjährigen Jahrbuch-AG. Viel Spaß dann.‘“ Ebook, Position 43

Inhalt, Themen & Botschaften (+)

Petra Mattfeldt hat mit ihrem „Jahrbuchcode“ einen tollen Jugendthriller geschaffen, der sich perfekt als Einstieg ins Genre eignet und auch Lesemuffel zum Schmökern animieren dürfte. Der Fall ist interessant aufgebaut und der Plot gut und wendungsreich konstruiert. Wichtige Themen wie Familie, Freundschaft und Erwachsenwerden werden angemessen behandelt. Bisweilen wird es durchaus sehr ernst und sogar brutal. Was Letzteres betrifft, sollte das Buch allzu sensiblen LeserInnen mit Vorsicht empfohlen werden. Besonders gut gefallen hat mir, dass die Autorin ihre Hauptfiguren sehr verantwortungsvoll und empathisch handeln lässt – das hat Vorbildwirkung für Teenager. Manchmal hätte die Autorin allerdings ein bisschen mehr in die Tiefe gehen dürfen, auch kleinere Logiklöcher fallen auf (zum Beispiel was die Polizeiarbeit angeht). LeserInnen ab 12 Jahren werden sich daran aber höchstwahrscheinlich nicht stören. Schade ist zudem, dass nicht alle offenen Fragen restlos geklärt wurden - das geschieht vermutlich erst im Folgeband.

Schreibstil (+)

Der Schreibstil ist wirklich gelungen. Er ist flüssig, routiniert, angenehm und leicht lesbar und wird dabei dennoch nie lieblos. Auch Humor schimmert immer wieder ein wenig durch. Störende Wiederholungen oder sonstige Schwächen sind mir nicht aufgefallen. Für das junge Zielpublikum ist die Sprache durchaus perfekt gewählt. Kleinere Schönheitsfehler waren für mich das gelegentliche unelegante Info-Dumping und die teilweise zu schnellen Perspektivwechsel. Letzteres war mir oft zu willkürlich, sprunghaft und verwirrend gemacht. Auch die Beschreibungen hätten manchmal anschaulicher sein dürfen. Beispielsweise wird von Lillys schönem Zimmer geschwärmt – wie es genau aussieht, bleibt allerdings wohl für immer das Geheimnis der Autorin, da es nicht näher beschrieben wird.

Protagonist & Figuren (+)

Die Figuren und auch der Protagonist sind durchwegs sympathisch. Der Autorin gelingt es stets, ihre Gefühle so zu vermitteln, dass man mit ihnen mitfühlen, mitfiebern und miträtseln will. Dennoch hätte eine detailliertere Ausarbeitung vielen Figuren noch gutgetan, da viele doch eher blass und wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben. Auch über Eltis hätte ich gerne noch mehr erfahren. Dieser wurde nach einer erinnerungswürdigen Vorstellung etwas vernachlässigt. Jedoch darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass dieses Buch mit gerade einmal etwas mehr als 220 Seiten in Form und Inhalt auf eine junge Leserschaft zugeschnitten ist. Dass der Fokus etwas mehr auf Spannung und Unterhaltung und etwas weniger auf die Figurenzeichnung gelegt wurde, kann von mir daher verschmerzt werden.

Liebe (+)

Auch eine kleine, zarte Liebesgeschichte ist ins Buch eingearbeitet. Diese entwickelt sich langsam und glaubwürdig, so wie das in einem Jugendroman sein sollte, dominiert jedoch niemals das Geschehen.

Spannung & Atmosphäre (♥)

Die größte Stärke des Buches ist mit Sicherheit die Spannung, die mich absolut positiv überrascht hat. Diese wird langsam aufgebaut, kontinuierlich gesteigert und bis zum Ende gehalten. Für einen Jugendthriller war die Spannung regelrecht „atemlos“, manche Situationen waren nicht nur rätselhaft, sondern sogar unheimlich – sogar für jemanden wie mich, der eigentlich Thriller für Erwachsene liest. Jugendliche LeserInnen werden dieses wendungsreiche Buch vermutlich nicht aus der Hand legen können!

Geschlechterrollen (+/-)

Es gab zwar keine auffälligen negativen Vorkommnisse, dennoch zeigt sich das Frauenbild stellenweise traditionell. Der Direktor und die Sekretärin sind ein Paar, die Mutter von Niklas kocht ständig und kümmert sich um die Kinder. Ob sie einen Beruf hat, wird nicht einmal erwähnt, vermutlich aber eher nicht. Auch Lilly ist aus verschiedenen Gründen (manche davon fadenscheinig) nie bei den spannenderen, gefährlicheren Missionen dabei. Warum? Sind das die unbewussten inneren Rollenbilder der Autorin, die da zum Vorschein kommen? Gleichzeitig werden Frauen aber auch an keiner Stelle respektlos behandelt, sie setzen sich durch, sind intelligent und wissen genau, was sie wollen. Das Buch kann also ohne Bedenken dem Zielpublikum empfohlen werden.

Mein Fazit

Petra Mattfelds „Jahrbuchcode“ ist ein kleiner, feiner Jugendthriller, der perfekt auf das Zielpublikum ab 12 zugeschnitten ist und der sich optimal für Krimi- und Thriller-EinsteigerInnen eignet. Mit dem einfachen, angenehmen Schreibstil, den sympathischen Figuren, der interessanten, wendungsreichen Geschichte und der atemlosen Spannung wickelt das Buch bestimmt auch Lesemuffel schnell um den Finger. Die kleineren Schwächen bei der Figurenzeichnung und beim Schreibstil kann ich verzeihen, weil sie den jungen LeserInnen vermutlich nicht störend auffallen werden. 
Ob ich den Folgeband, den die Autorin leider nicht mehr allein, sondern mit gemeinsam ihrem Sohn geschrieben hat, lesen werden, steht noch nicht fest.

Empfehlung: Uneingeschränkte Leseempfehlung für LeserInnen ab 12 Jahren, die nicht allzu sensibel auf Gewalt reagieren. Manchen erwachsenen LeserInnen könnte die Geschichte in manchen Bereichen eventuell etwas zu oberflächlich sein. Wer sich allerdings bewusst ist, dass er einen Jugendthriller vor sich hat, kann mit diesem Buch bestimmt einige kurzweilige, spannende Stunden verbringen.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 4 Sterne
Protagonist: 3,5 Sterne
Figuren: 3,5 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 5 Sterne ♥
Liebesgeschichten: +
Emotionale Involviertheit: 4 Sterne
Geschlechterrollen: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir vier absolut zufriedene Lilien!