Rezension

Klischeebehaftet - paranormal - mitreißend

Was geschah mit Mara Dyer? - Michelle Hodkin

Was geschah mit Mara Dyer?
von Michelle Hodkin

Bewertet mit 3.5 Sternen

Von englischsprachigen Lesern gehypet - von deutschen sehr durchwachsene Bewertungen bekommen. Da war mir sofort klar, dass ich mir selbst eine Meinung bilden musste. Die Los Angeles Times verspricht ein Buch "So packend wie 'Blair Witch Project'." und sofort steigen meine Erwartungen in den Himmel. Denn wer den Film kennt weiß, dass dieser ein psychologisches Meisterwerk ist. Aber nun die Frage: Hat Michelle Hodkin es geschafft, eben so ein Werk allein aus Wörtern zu erschaffen?

Passend zum Genre benutzt die Autorin einen einfachen Schreibstil mit Jugendwörtern. Er lässt sich schnell lesen und durch die Ich-Perspektive ist man den Figuren auch viel näher und kann lesen, was sie denken und durchmachen müssen und bekommt es nicht von irgendjemand anderem erzählt. Leider konnte Hodkin mit ihrem Schreibstil nicht so viel Spannung aufbauen, wie man es von dieser Art Genre erwartet. Teilweise hätte ich mir gewünscht, dass mir beim Lesen ein Schauer über den Rücken läuft, da die Idee wirklich das Potenzial dazu gehabt hätte. Leider hat die Autorin nicht viel daraus gemacht.

Vom Spannungsaufbau her konnte mich das Buch von Anfang bis Ende mitreißen. Zwischendurch musste ich mich aber durch ein paar Längen quälen, die die Autorin ruhig hätte weglassen können. Von der Idee her war die Geschichte aber einsame Spitze und richtig unterhaltsam. Den kreativen Kopf hat Michelle Hodkin schon - jetzt muss sie nur noch an ihrem (bis jetzt) etwas weniger spannenden Schreibstil arbeiten, damit sich ihre Leser nicht langweilen und mit den Figuren mitfiebern können.

Wer mir wirklich immer Leid getan hat war Mara - unsere Protagonistin. Ihre Psyche ist natürlich nach dem schlimmen Unglück, bei dem ihre Freunde umkamen total im Eimer, was auch dazu führt, dass sie immer wieder Halluzinationen hat. Sie ist teilweise verschlossen, ruhig aber leider auch sehr naiv.

Naiv, wenn es um Noah geht - zumindest zum Ende hin. Dieser Kerl wirkte auf mich von Anfang an irgendwie schon unsymphatisch. Er war wieder dieser heiße Typ, der sich durch die ganze Schule schläft und jedes Mädchen haben könnte, sich dann aber doch für unsere Hauptfigur entscheidet - wieder dieses Klischee (ich habe aufgehört mich darüber zu ärgern, dass sich die Autoren nichts neues mehr einfallen lassen). Doch auch wegen seiner Art und wie er Mara manchmal behandelt hat, konnte ich keine Nähe zu ihm aufbauen. Er war für mich einfach wieder dieser klassische High-School-Sportler-Macho.

Die Beziehung zwischen Noah und Mara ist dem Leser und selbst den Figuren manchmal nicht ganz klar. Mara lässt alles mit sich machen. Sie kommt immer wieder zu Noah zurück. Warum? Weil die Autorin ihr den Stempel der hilflosen, naiven Protagonistin aufgedrückt hat. Und Noah scheint sie sowieso schon als sein Eigentum markiert zu haben. Selten zeigt er irgendwelche echten Gefühle, die Mara ein wenig Vertrauen und Sicherheit schenken könnten.

Nach den vielen Geheimnissen, die im Laufe der Geschichte aufgedeckt worden sind, hatte ich mir am Ende eine Erklärung erwartet oder wenigstens eine kleine Auflösung der einzelnen Handlungsstränge. Doch nichts. Im Gegenteil. Michelle Hodkin führte mich das ganze Buch auf irgendeine Enthüllung hin, doch anstatt sie schließlich preiszugeben knallt sie mir einen letzten Satz vor die Nase, der alles, was ich geglaubt habe zu denken nochmal über den Haufen wirft. Es erwartet einen also nicht nur ein offenes - nein - es erwartet einen ein riesiges, klaffendes Ende.

FAZIT
Wer dieses Buch zur Hand nimmt, den erwartet eine schnelle, mystische, paranormale und leichte Geschichte, jedoch kein Horrorklassiker, der uns versprochen wurde. Michelle Hodkin hat eine unglaubliche Idee gehabt, die sie aber leider nicht so gut umsetzen konnte. Die Figuren waren nicht herausstechend und einzigartig, trotzdem haben sie und ihr Verhalten zur Handlung gepasst. Wer also die Absicht hat, dieses Buch zu lesen wird entweder auf die deutsche Übersetzung der anderen beiden Teile warten oder sich mit dem englischen Original begnügen müssen. Denn auf eins könnt ihr euch gefasst machen: Wer den ersten Teil gelesen hat, will die anderen auch verschlingen.