Rezension

Können gestutzte Flügel wieder nachwachsen?

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß - Radek Knapp

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß
von Radek Knapp

Bewertet mit 4.5 Sternen

Tatsächlich ist der Erzählstil auffallend kreativ. Die mitunter spezielle Wortwahl, die bildhaften Vergleiche und nicht vorhersagbaren Wendungen verleihen der Handlung Schwung, der durchweg anhält. Auf verschlungenen Wegen voran. Doch wohin eigentlich? Unser junger Held hat es nicht leicht und bleibt doch vorerst beneidenswert frei und vorurteilslos im Geiste, ist neugierig auf das Leben und die Menschen, die ihm begegnen. Doch so wird es nicht bleiben. So mancher fühlt sich berufen, ihn zu modellieren, obwohl er an sich genau richtig ist, wie er nun mal ist. Dies kommt einem Stutzen seiner Flügel gleich. Der Absturz ist lange nicht in Sicht, aber unvermeidlich. Jeder hat Pläne mit dem 14jährigen Walerian, vor allem seine Mutter. Doch er selbst versteht den Sinn nicht. Das zarte Flüggewerden wird so zu einer Art Stoß aus dem Nest. Wie wird er auf dem Boden des Lebens und der Tatsachen ankommen? Landesgrenzen überschreiten ist das eine, doch kommt man damit auch bei den dort lebenden Menschen an? Ist ein vermeintlich besseres Leben dort auch wirklich besser für einen selbst? Das Gehen wird zu einer Art Getriebenheit. Er selbst merkt erst sehr spät, dass er dabei auf der Strecke bleibt. Seine Welt wird dabei nicht größer, er selbst nicht freier. Grenzen überall, die erneut eigene Grenzen innehaben. Nicht jede sind allerdings zum Überschreiten da.

Tragische Elemente wechseln sich mit komischen Situationen ab. So wird auch dem Leser gekonnt verschleiert, dass es in Wahrheit doch alles andere als gut ist, was andere mit gut gemeint so alles anrichten können, wenn es nicht das Eigene ist und nicht von einem selbst kommt. Walerian hat ein dickes Fell, doch was nützt dies, wenn es um ihn herum im übertragenen Sinne immer kälter wird? Die einzig beständige Komponente für sich ist er selbst. Doch er ist sich fremd geworden in der Fremde. Die Diskrepanz zwischen dem eigenen Wollen, den eigenen Lebensvorstellungen und der Tatsache, wie es eigentlich „läuft“, wie die anderen es zulassen, wird zusehends größer. Der eine schwimmt, um voran zu kommen, Walerian allerdings paddelt lange Zeit nur, um nicht unterzugehen.

Vom Gehen in fremden Schuhen, dem Abwerfen und dem barfuß weitergehen, davon handelt diese diese Geschichte. Und sie hinterlässt Spuren beim Leser. Lehrstunden des Lebens.