Rezension

Komm mit ins alte, neue London

Steamtown - Die Fabrik - Carsten Steenbergen, T. S. Orgel

Steamtown - Die Fabrik
von Carsten Steenbergen T. S. Orgel

Bewertet mit 4 Sternen

Drei skurrile Gestalten treffen aufeinander, als es darum geht einen bestialischen Mord in Steamtown aufzuklären. Der unbeholfene, unerfahrene Agent Eric van Valen, ein nicht ganz so gutmütiger Priester und der Forensiker Mr. Ferret, dessen Körper, zumindest die sterblichen Teile, wohl schon bessere Tage gesehen hat. Doch ein Mord ist nicht gleich ein Mord - und dieser führt das Trio und die finstere Unterwelt von Steamtown, wo Dinge lauern, die man sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht wünschen würde..

Ich hab ein paar Seiten gebraucht, bis ich mich in diesem Buch zurecht gefunden habe. Aber nach einigen Seiten wird man von der Atmosphäre einfach mitgerissen. Steamtown wirkt wie das alte London zu Rippers Zeiten, umhüllt von dichten Nebelschwaden, die kein Sonnenstrahl jemals ganz zu durchdringen vermag. Düster, schauerlich und dennoch viktorianisch schön. Für die Atmosphäre gibt es also schon mal die volle Punktzahl - man hat als Leser das Gefühl, den Rauch zu atmen und das Plasma zu sehen. 
Bis ich die einzelnen Personen wirklich richtig zugeordnet hatte, das hat etwas mehr Zeit in Anspruch genommen. Halb so wild - ein Buch darf auch mal ein paar Forderungen an mich stellen.

Die Charaktere sind fantastisch gezeichnet. Wenn ich schmolle, WIRKLICH schmolle, weil man mir meinen Lieblingscharakter auf halber Strecke unter den Fingern wegsterben hat lassen, dann will das was heißen. Und ich hab geschmollt. Ich hab das Buch für zwei Stunden in die Ecke gestellt und wollte es nicht mehr angucken. Recht viel länger als zwei Stunden habe ich es dann aber doch nicht ausgehalten ohne weiter zu lesen.
Ja. Ich verwickle mich gerade in meine leicht ungesunden Beziehungen zu Buchcharakteren, sei's drum. Um wieder auf den Punkt zu kommen : wir treffen hier auf einen liebevollen Haufen, bestehend aus einigen Irren. Keinesfalls negativ gemeint, aber normal sind die alle nicht. Ein bisschen wie der leicht verschrobene Nachbar, den man unbedingt mal kennen lernen möchte.

Wo kommt dann also das kleine Sternchen Abzug her, das eigentlich auch nur ein halbes ist? Erstens - und das ist nicht schlimm - wusste ich sehr bald, wohin mich die Geschichte führt. Das war aber eigentlich ganz ok so, konnte ich meinem inneren Hobby Sherlock mal wieder ordentlich auf die Schulter klopfen und offensichtlich war es nun wirklich nicht. Eher so eine Ahnung.
Nein, eigentlich lag es eher an dem unglaublichen Tempo, dass das Buch an den Tag gelegt hat. Ich hätte mir schön ab und an mal zwei Seiten zum durchatmen gewünscht, mein armes Herz hält solchen Druck auf Dauer doch gar nicht aus. 

Wie könnte man es also zusammenfassen? Etwas zu viel des unglaublich guten? Ja, ich glaube, so könnte man das stehen lassen.