Rezension

Komplette Enttäuschung

Die Sehnsucht des Vorlesers
von Jean-Paul Didierlaurent

Bewertet mit 2 Sternen

Es tut mir so leid, aber ich fand Die Sehnsucht des Vorlesers – und es einfach zu sagen – doof. Dabei hat die Gestaltung erst viel versprochen. Aber beim lesen, blieb davon nicht mehr viel übrig.

Der Roman liest sich unheimlich schnell, da durch große Schrift, viele Kapitel und riesige Ränder sehr viel Platz geschunden wurde. So viel, dass man sich schon ärgern kann, wenn man 15 Euro für das Werk bezahlt hat. Auch ohne die schöne Gestaltung zu verhunzen hätte man die Geschichte auf der Hälfte der Seiten unterbringen können.

Die Charaktere sind nicht groß ausgearbeitet. Sie sind halt da. Es gibt Stereotypen wie den garstigen Chef, den blöden Kollegen und die alte Dame. Dass ein Freund des Hauptcharakters Guylain ständig Verse zitiert, war zwar weniger stereotyp aber auch ohne tieferen Sinn. Guylain selbst bleibt ebenfalls blass. Zwar wird ein wenig von seine Lebensgeschichte erzählt, Didierlaurent dichtet ihm ein paar nette Eigenschaften an aber es gibt aber keine Auflösung seiner Probleme, keinen Wandel, er bleibt einfach Farblos.

Ganz schlimm fand ich den zweifelhaften Stil des Autors. Vielleicht sollte es auch einfach Humor sein. Ich habe auf jeden Fall noch nie so viel Fäkalsprache in einem Buch gelesen. Da erwartet man eine niedliche, romantische Geschichte und der Autor schreibt fast ohne Unterlass von Pupsen, Furzen, Ausscheidungen, den Geräuschen wenn Leute aufs Klo gehen, vollgekackten Toiletten und packt in Verbindung mit der Frau in die Guylain sich verliebt noch Begriffe wie Flittchen, Schlampe und hab mir einen runtergeholt dazu. Ein absolutes no go!

Das Ende ist der enttäuschende Höhepunkt der Buches. Das erste Drittel widmet sich einer Papiervernichtungsmaschine, die dann einfach nicht mehr vorkommt. Auch die „Findelkinder“, die Buchseiten die Guylain rettet werden nicht mehr erwähnt. Da einfach so wenig drin steht, bleibt keine Zeit alle Gedanken zu ende zu denken, die Geschichte fertig zu erzählen. Es wirkt, als hätte Didierlaurent sein Buch in Druck geben müssen ohne wirklich fertig zu sein. Denn Potential steckt in der Geschichte, auch wenn das leider nicht genutzt wurde.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 24. Oktober 2015 um 21:48

Ach herrje, das klingt ja übel! Da wir ziemlich ähnlich liegen vom Lesegeschmack, werde ich das Buch wohl lieber lassen ;-) Danke für die aufschlussreiche Rezi!!! :-*

katzenminze kommentierte am 27. Oktober 2015 um 18:54

Wenn du es doch mal versuchen willst, würdest du damit zumindest nicht allzu viel Zeit verplempern. ;)

Ich bin schon gespannt, was du zu Ein feiner dunkler Riss sagst!

Naibenak kommentierte am 28. Oktober 2015 um 09:14

LOL...auch wieder wahr :D Aber mich stoßen diese Kraftausdrücke schon sehr ab, muss ich sagen... Und was die anderen denken, ist mir schnuppe. Du bist ein guter Maßstab für mich ;) Ich habe ja noch genug Lesestoff - hahaha...

Bei Ein feiner dunkler Riss bin ich im letzten Viertel... ich mag das Buch total!!!^^ War aber viel unterwegs die Tage und bin deshalb noch nicht so weit.

wandagreen kommentierte am 25. Oktober 2015 um 08:37

Klingt oberschlimm! Gut, dass ich das Buch nicht in die Hände bekam, ich finde nämlich, dass Fäkalsprache gar nicht geht - wenn es nicht einem oberliterarischen Zweck dient ... hier keineswegs erkennbar. Schade für dich! Kandidat für  "verdorrte Blätter" des Jahres??

katzenminze kommentierte am 27. Oktober 2015 um 18:55

Ja, das ist sicherlich ein heißer Kandidat. x) Ich muss aber auch sagen, dass der Rest der Leserunde es nicht so schlimm fand wie ich. Nur die Kürze und dass das Ende nicht der Hit war war allgemeinkonsenz...

Brocéliande kommentierte am 31. Oktober 2015 um 18:35

Ich bin da ganz anderer Meinung und denke, dass die hier so verurteilte "Fäkalsprache" sehr wohl einem "übergeordneten literarischen Zweck" dient oder wie wanda es ausdrückt, "einen oberliterarischen Zweck" durchaus besitzt: Die Toilettenräume eines EKZ ähneln nun mal nicht einer Beauty-Farm, Wellness-Oase oder Douglas ;)

Von daher schon für mich stimmig und real: Und SO oft kamen die besagten Ausdrücke nun auch wieder nicht vor; wenn, dann hatten sie unbedingt mit der Geschichte zu tun - der französische Humor ist ein ganz besonderer und ich hab den Eindruck, dass dieser auch nicht von allen als solcher verstanden wird... schade!

Das offene Ende lässt Raum für eigene Gedanken, ich fand es absolut ok und stimmig - zumal ja auf dem Buchrücken steht "Eine zarte Liebesgeschichte könnte beginnen".... - und der Brief an Julie alles andere als Fäkalsprache enthalten hat ;)

Mir hat das Buch sehr gut gefallen - aber die literarischen Gaumen sind halt sehr verschieden...

katzenminze kommentierte am 01. November 2015 um 16:59

Ich denke wir kommen so gar nicht auf einen Nenner. Von den sprachlichen Vorlieben und Sinnigkeiten mal abgesehen: Für mich war der Roman einfach unfertig. Ich schreibe einfach nicht ein Drittel über eine Maschine, die dann nicht mehr vorkommt. Ich mache nicht gesammelte Buchseiten zu meinem Romanthema, wenn ich sie dann nach der Hälfte vergesse. Dass die Liebesgeschichte erst beginng stört mich ja gar nicht. Aber die aufgeworfenen Probleme des Hauptcharakters (z.B. Job, Selbstwertgefühl) werden nicht aufgelöst.

Und der "französische Humor" in diesem Werk ist einfach nicht meiner. Ich verstehe schon, dass es witzig gemeint ist. Aber er ist mir zu platt. Zu gewollt. Es gibt andere Bücher französischer Autoren, die ich durchaus witzig finde. Das hier nicht.

Also ich glaube wir zwei könnten da Ewig und drei Tage drüber diskutieren... ;) Ich hab mein Exemplat jetzt gegen einen Hornby getauscht und bin durch damit.