Rezension

Komplexer Fall für Toni

Tiefe Havel - Tim Pieper

Tiefe Havel
von Tim Pieper

Bewertet mit 5 Sternen

„...Sein ganzes Leben hatte er auf ein solides Fundament gestellt, aber das Schicksal war nicht planbar und schlug unbarmherzig zu. Das war eine Erfahrung, die er in den vergangenen Jahren gleich zwei Mal gemacht hat...“

 

Obige Gedanken gehen dem Schiffsführer Jürgen Seitz durch den Kopf. Er ahnt nicht, dass er den nächsten Morgen nicht erleben wird. Der Fall landet bei Hauptkommissar Toni Sanftleben.

Der Autor hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Es ist der dritte Fall für Toni Sanftleben.

Der Schriftstil des Romans ist ausgefeilt. Das zeigt sich schon daran, dass die Protagonisten sehr gut charakterisiert werden. Das geschieht nicht nur mit Worten, sondern auch durch ihr Verhalten.

Gekonnt eingebettet ist ein Blick auf die vergangenen Fälle. Dabei geht es insbesondere um das Verhältnis zwischen Toni und seiner Frau Sofie.

Jenny Seitz, die Schwiegertochter des Toten, hat in den letzten Jahren durch einen Unfall all die Menschen verloren, die ihr etwas bedeutet haben. Sie funktioniert nur noch.

Sandro Ehmke war wegen Mordes im Jugendgefängnis. Die Jahre haben ihn gezeichnet. Ein Bauer hat ihn eingestellt, bezahlt ihn aber nur mit einem Taschengeld. Doch Sandro hat die Aufgabe seines Lebens gefunden. Ihm ist es gelungen, Zugang zu dem Problempferd Bonita zu bekommen. Mittlerweile gehört das Tier zu den begehrtesten Dressurpferden.

Der Fall bringt Toni und sein Team an die Grenzen der Belastung, zumal ihnen sein Vorgesetzter gekonnt Steine in den Weg legt. Doch die Aufgabe schweißt das Team trotz kurzzeitiger Probleme wieder zusammen. Außerdem hat Toni private Probleme. Er hat bei einem unangekündigten Besuch Sofie zusammen mit ihrer Psychotherapeutin Hanna gesehen. Deren Geste war eindeutig. Die Beobachtung hat ihn tief getroffen. Sein innerer Kampf wird im folgenden Zitat besonders deutlich:

 

„...Reiß dich zusammen, ermahnte er sich. Nur wenn du stark bist, kannst du Einfluss nehmen. Nur wenn du klar im Kopf bist, kannst du zeigen, wer du bist...“

 

Gut beschrieben wird der Hof, auf dem Sofie in einer Wohngemeinschaft lebt, aber auch die Landschaft an der Havel.

Der Autor hat nicht nur einen spannenden Roman geschrieben. Er hat auch die nötigen Sachinformationen gekonnt in die Handlung integriert. So erfahre ich eine Menge über die Überwachung der Binnenschifffahrt, aber auch über kritische Verhältnisse im Jugendgefängnis.

Die fein ausgearbeiteten Dialoge gehören zu den stärken des Autors. Sie variieren geschickt je nach den beteiligten Protagonisten. Wenn sich Toni mit Schmidt unterhält, ist die gegenseitige Abneigung in jedem Wort spürbar. Gegenüber Phong findet Toni klare Worte und zwingt ihn so, sich zu entscheiden. In den Dialogen mit Sofie kommt beider Verletzlichkeit und Zuneigung zum Ausdruck.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Spannung entsteht hier nicht nur durch die äußere Handlung, sondern auch durch die Beziehungen der Protagonisten.