Rezension

Korrekturen, wohin man schaut... - tiefgründig, bewegend, super!

Die Korrekturen - Jonathan Franzen

Die Korrekturen
von Jonathan Franzen

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Rahmenhandlung dieses Romans spielt im Elternhaus der Lamberts, welche im Mittleren Westen der USA in einer Kleinstadt leben. Enid Lambert hat es sich zum Ziel gesetzt, noch ein (möglicherweise) letztes, gemeinsames Weihnachtsfest mit den Kindern und dem mittlerweile schwer an Parkinson erkrankten Mann Alfred in eben diesem Elternhaus zu feiern. Es gestaltet sich aus vielerlei Gründen schwierig, ihre Kinder zu einem gemeinsamen Fest „nach Hause“ zu holen. Bis zum Schluss weiß der Leser nicht, ob es klappt. Da ist der älteste Sohn Gary: Banker, depressiv und Stress in der Ehe, außerdem leidet er nahezu an Kontrollzwang. Dann der mittlere Sohn Chip: Literaturprofessor, der seinen Job verloren hat und sich recht erfolglos als Drehbuchautor versucht. Hoch verschuldet bei seiner jüngeren Schwester Denise: diese ist Meisterköchin, ein Arbeitstier, verstrickt sich in wirre Beziehungskisten…

Dieser große Familien- und Gesellschaftsroman brachte dem Autor Jonathan Franzen den großen Durchbruch. Zudem wählte das Time-Magazin ihn unter die 100 besten englischsprachigen Romane zwischen 1923 und 2005. In 2015 wurde der Roman durch eine BBC-Auswahl der 20 besten Romane 2000-2014 zu einem der bedeutendsten Werke dieses Jahrhunderts gewählt. Weiterhin erhielt er einige Preise. Meine persönliche Meinung dazu ist: ja! Er hat es verdient.

Franzen erzählt hier die Geschichte einer ganzen Familie – jeder einzelne bekommt einen eigenen Erzählstrang. Dabei blickt der Autor jeweils zurück in die Vergangenheit und mir als Leser wird mehr und mehr klar, dass so einiges schief gelaufen ist, was nun an allen Ecken und Enden „korrigiert“ werden will. Diesen „Kniff“ des Autors mit den „Korrekturen“ finde ich äußerst spannend und clever. Immer wieder greift er auf diesen Begriff zurück, das hat mich fasziniert. Auch sonst fasziniert mich seine Sprache sehr. Oft erschafft er tolle Bilder vor meinem inneren Auge, beschreibt Personen und Situationen sehr intensiv und ausdrucksstark und nicht selten habe ich dadurch extrem mitgefühlt. Auch schwingt in diesem Roman an allen Fronten eine Prise Gesellschaftskritik mit. Manches Mal allerdings habe ich Franzen als etwas ausschweifend und „sperrig“ empfunden. Gerade auch in der Mitte des Buches (da hat mich die Thematik rund um die Arbeit von Alfred bei der Midland Pacific Railroad nicht so stark interessiert) neigt der Roman zu einigen Längen. Und trotzdem gibt es dann wieder die fesselnden Kapitel, die fast schon entschädigenden Charakter haben ;-) Zum Ende hin hat der Autor alle Erzählstränge eindrucksvoll zusammen geführt, mich sehr berührt, begeistert und überrascht.

Fazit: Ein anspruchsvoller, sehr tiefgründiger und intensiver Familienroman, der trotz einiger Längen immer wieder zu fesseln vermag. Ein Roman, der sehr bewegt und berührt. Nichts für Zwischendurch, hierfür sollte man sich Zeit nehmen! Aber es lohnt sich - schon allein sprachlich ist es ein Genuss!

Kommentare

katzenminze kommentierte am 09. Februar 2016 um 15:48

Hey, sehr schöne Rezi. :) Mir ging es echt genauso. Ein paar Längen für die man aber definitiv entschädigt wird.

Hast du eigentlich noch was von Franzen gelesen? Würde mich interessieren ob seine anderen Romane genauso lesenswert sind. Ähnlich dick sind sie auf jeden Fall...

Naibenak kommentierte am 10. Februar 2016 um 10:26

Dankeschön!!! ♥

Ich habe noch keinen anderen Franzen gelesen bisher... Ich weiß auch noch nicht, welches ich als nächstes wähle, vielleicht sogar das letzte. Aber ich habe aktuell noch so viel anderen Lesestoff, dass es mit einem weiteren Franzen noch etwas dauern wird ;) Vielleicht kommst du mir zuvor und kannst mir einen heißen Tipp geben?! *lach*...