Rezension

Krieg, Vertreibung, Schuld,

Marlenes Geheimnis - Brigitte Riebe

Marlenes Geheimnis
von Brigitte Riebe

Bewertet mit 5 Sternen

Das sind die großen Themen dieses Romans,  die dem Leser in unterhaltsamer Form näher gebracht werden.
Nane, gerade in einer Lebenskrise, fährt zur Beerdigung ihrer Großmutter Eva an den Bodensee. Diese hat ihr ein Notizbuch hinterlassen, in dem sie ihre Lebensgeschichte nieder geschrieben hat. Eva lebt mit ihrem deutschen Vater und der ungarischen Mutter im jetzt tschechischen Reichenberg in gutbürgerlichen Verhältnissen. Eva verliebt sich in ihren tschechischen Mitschüler Jan. Gerade jetzt annektiert Hitler das Sudetenland und errichtet das Protektorat "Böhmen und Mähren". Die tschechische Bevölkerung wird gnadenlos unterdrückt und ausgebeutet. Als der Krieg verloren ist, rächen sich die Tschechen für das erlittene Unrecht. Die deutsche Bevölkerung wird enteignet, interniert und letzten Endes des Landes verwiesen. Dieses Schicksal trifft auch Eva. Im Internierungslager nimmt sie sich der kleinen Waisen Marlene an und gibt diese fortan als ihre Tochter aus. Schließlich gelangen die beiden nach einer Monate langen Odyssee  erschöpft an Laib und Seele nach Rickenbach am Bodensee. Die Einheimischen sind nicht begeistert von den Flüchtlingen. Doch Eva hat das Glück, dass sich Toni Auberle der beiden annimmt. Gemeinsam beleben sie seine Obstbrennerei neu. Dabei kommt es Eva zugute, dass sie zuhause in Reichenberg das Brennen von ihrem Vater gelernt hat.
Nane ist gefangen von der Lebensgeschichte ihrer Großmutter. Aber das aktuelle Geschehen erfordert ihre Aufmerksamkeit. Da ist ihr eigenes in Unordnung geratenes Leben, dem sie wieder eine Richtung geben muss. Zudem belastet sie der Streit zwischen ihrer Mutter Vicky und ihrer Tante Marlene. Auch gibt es Querelen mit den Nachbaren und ehemals guten Freunden, den Benteles. Es wird Zeit, Antworten zu finden, auch wenn sie nicht alle hören wollen.
Das Buch ist ein echter Pageturner. Die Geschichte wechselt ständig zwischen Gegenwart und der Erzählung Evas. Die ist auch gut so, denn anders ließe sich der Schrecken des Krieges und der Vertreibung kaum ertragen. Mir war das Schicksal der Sudetendeutschen so nicht bewusst. Die Handlung macht deutlich, dass die Vergangenheit auch immer unsere Gegenwart mitbestimmt. Nur wenn man aktiv damit auseinander setzt, kann man die Vergangenheit überwinden. Gut gefallen hat mir auch die Schilderung der Bodenseelandschaft. Die Stimmung dort wurde genau getroffen und macht Lust einmal dorthin zu fahren.
Das Buch schafft es, ein schwieriges Kapitel deutscher Geschichte ohne Oberflächlichkeit unterhaltsam zu vermitteln