Rezension

Krimi mit interessantem Thema, spannungsgeladen, einladend zum Nachdenken, Mitdenken, Augen öffnen

Niemandsmädchen - Eva-Maria Silber

Niemandsmädchen
von Eva-Maria Silber

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt: Eine Frau bringt in der Nacht ein Kind zur Welt und flüchtet am nächsten Morgen aus dem Krankenhaus. Das ungewöhnliche daran ist, dass sie schon von Beginn an ein eher abstoßendes widerwilliges Verhalten dem Kind gegenüber aufweist - sie betrachtet es nicht, stößt es gleich wieder von sich und sieht darin auch kein Kind, sondern spricht immer nur von "dem Affen". Nachdem die Flucht der Krankenschwester auffiel, die ihre Beobachtung hinsichtlich des Verhaltens der Frau ihrem Arzt gegenüber überzeugend rüberbringen kann, wird Kontakt zu Kommissarin Adams und Staatsanwältin Leyla gesucht. Nach vielem Hin und Her können der Arzt und sein hinzugezogener Kollege (Neurologe) die Beamten überzeugen, nach der Frau zu suchen. Dabei geraten sich die beiden Frauen jedoch immer wieder in die Wolle. Es hat den Anschein, als dass sie sich nicht leiden können oder gegenseitig ihrer Positionen nicht gönnen. 
Die "Flucht" wird aus Sicht der Mutter immer wieder beschrieben, gibt teils Rätsel auf, lässt den Atem gefrieren, wenn man sich den Umgang mit dem Neugeborenen vor Augen hält.
Der Nebenschauplatz, ein Gasunglück in der Region, wird teils in die Geschichte verflochten, sodass klar wird, warum die Kommissarin überwiegend allein mit der Staatsanwältin sich darum kümmert.Es bleibt bis zum Schluss die Frage offen : Werden Frau und Kind gefunden rechtzeitig? Werden die Spannungen der Kommissare sich lockern?

Cover: Ich bin jemand, der beim Stöbern nach neuen Büchern immer auch mit dem Auge mitliest, sprich stark auf die Covergestaltung achtet. In diesem Fall gefällt das Cover mir ausgesprochen gut, ich finde, es passt bestens in die Reihe "Ostfriesenkrimi" - im Hintergrund der Pilsumer Leuchtturm, davor eine dünige Strandathmosphäre, wie man sie auf der ein oder anderen NordseeInsel wiederfindet, alles getaucht in dämmerndes Licht. Genau dieses Licht lässt Assoziationen aufkommen, dass es sich um einen Krimi handelt, dazu tragen für mich auch die Farben bei (überwiegend Orange, rotbraune Töne). Der Titel wurde hervorgehoben, in kontrastem Weiß und ansprechender Schriftart und fällt direkt ins Auge.

Schreibstil: Der zweite Handlungsstrang, der über den Gasunfall in Etzel berichtet, wird zu Anfang jedes Kapitels in kursiver, und damit abgesetzter, Schriftart geführt; dadurch für mich klare Abtrennung der beiden Stränge gut offensichtlich. Zudem ist der Text leicht zu verstehen, schnell und gut zu lesen, es bereitet keine Probleme,  sich in die Geschichte hinein zu lesen, oder nach einer (kurzen) Lesepause wieder in die Handlung hinein zu finden.

Charaktere:  Die aufmerksame Krankenschwester, die gute Beobachtungen macht und damit erst "den Stein ins Rollen bringt" - fast schon ein wenig zu sehr im Hintergrund. Der ältere Arzt, ein wenig behäbig und sehr ruhig erscheinend, der sich schon in Rente sieht aber nicht mehr am Arbeitsplatz; der junge Arzt dagegen, der "noch schnell die Welt retten" will und sich gleich engagiert, klassischerweise das Gedankengut über Ärzte in der normalen Bevölkerung assoziiert.  Die Beamten  - Kommissarin Adams, frustriert über ihre Versetzung, älteres Baujahr, scheint den Rang der durchaus jüngeren Staatsanwältin nicht zu gönnen. Diese mit privaten und gesundheitlichen Problemen beladen versteht nicht, warum die Adams ihr das Leben schwer macht. Immer wieder giften sie sich an, gönnen sich nichts und finden doch auf wundersame Art zueinander.Die Mutter scheint es in ihrem Leben schwer gehabt zu haben, schon seit der Kindheit im Heim scheint es immer wieder sexuelle Angriffe auf sie gegeben zu haben; vielleicht liegt der Grund in einer Minderbegabung; daraus lassen sich Verhaltensweisen erklären. Für sie ist das Leben mit einem nichtsnutzigen, tyrannischen Ehemann normal, auch wenn sie sich teils darüber ärgert, aber sie kennt scheinbar nichts anderes!

Fazit: Mir bleiben Gründe über das Verhalten der Mutter unklar, gerne hätte ich tieferes Hintergrundwissen erfahren. Nichtsdestotrotz ist das Buch generell sehr gut geschrieben, die Spannung hält sich von Anfang bis Ende, der Wechsel von Charakteren oder Handlungssträngen ist fließend, gut gelungen und macht keine Probleme beim Lesen. Das Thema ist sehr gut gewählt und gibt meiner Ansicht nach Gedanken auf, seine eigene Sichtweise  auf das Leben allgemein zu ändern, die Augen zu öffnen im Umfeld. 
Mit diesem Buch ist der Autorin insgesamt ein sehr gut gelungener Krimi gelungen, der Anreiz schafft, mehr dieser Sorte zu lesen.