Rezension

Lancelot hätte ich gern mal geschüttelt

Licht und Zorn - Lauren Groff

Licht und Zorn
von Lauren Groff

Bewertet mit 4 Sternen

Die Sprache des Romans war für mich das Licht, Lancelot (Lotto) hat meinen ganz persönlichen Zorn herausgefordert. Was für ein Typ!? Lotto (22/Kind aus reichem Haus) sieht Mathilde, fällt spontan vor ihr auf die Knie und bittet sie, seine Frau zu werden. Aber natürlich braucht wahre Liebe Zeit und eine Ehe soll man nicht übers Knie brechen. Geheiratet wird deshalb erst zwei Wochen später. „Heiraten hieß für immer. … Lotto und Mathilde waren dazu geboren, sich aneinanderzuschmiegen wie zwei Löffel im Besteckfach.“ Prompt stellt Lancelots Mutter ob der unbekannten und verschmähten Schwiegertochter die monatlichen Zahlungen ein und das junge Paar muss sich durchs Leben schlagen. Während Mathilde sich nur zu bereitwillig  in den Alltag stürzt, Jobs übernimmt, Rechnungen bezahlt, den Haushalt erledigt, geht Lancelot in seiner Rolle als zukünftiger Star der Theater- und Filmszene auf. Die Zeiten zwischen den Vorsprechen verbringt er auf DEN Anruf wartend in der Nähe des Telefons. Allenfalls eine der vielen Partys bringt Abwechslung ins Leben. „Er brachte nichts außer Enttäuschung und schmutziger Wäsche in ihre Ehe ein.“ Irgendwann wird Lotto zwar klar, dass ihm Mathilda nach und nach entgleitet, aber an seinem gesunden Narzissmus perlt diese latente Angst ab wie Regen an einem frisch geputzten Fenster. Und Mathilde? „Mathilde war nie unfreundlich, aber sie trug ihre passive Aggression wie eine zweite Haut.“ Nach und nach hatte auch ich eine zweite Haut aus passiver Aggression. „Er hatte gelitten und war stärker daraus hervorgegangen. Vielleicht sogar noch attraktiver, überlegte er, während er sich so betrachtete. Männer konnten das, mit den Jahren noch schöner werden. Frauen wurden bloß älter. Die arme Mathilde mit ihrer gefurchten Stirn. In zwanzig Jahren war sie silbergrau, mit einem Gesicht voller Falten. Ach, aber eine Schönheit würde sie immer sein, dachte er, loyal bis ins Mark.“ Ach, was für ein großartiger, selbstloser und bescheidener Mensch. Irgendwann hat unser Held dann noch den Ansatz einer Kurve bekommen und, statt weitere Jahre erfolglos auf den Durchbruch als großartiger Schauspieler zu lauern, angefangen Stücke zu schreiben. Was der Leser hier noch nicht weiß: Hat er auch nicht allein hinbekommen. Es war ein Trauerspiel. Es war nervig, es hat mich wütend gemacht, ich habe das Buch mehrfach zur Seite gelegt (Vorsichtig, denn auch so ein Kindle ist nur ein Buch.) und nur die Aussicht auf den zweiten Teil, die Geschichte aus Mathildes Perspektive, hat mich durchhalten lassen. Dieser Teil hat dann auch für einiges entschädigt. Mathildes ganz persönliche Geschichte bis zu dem Tag, an dem sie ihren Mann traf, war so sensibel und hintergründig erzählt, eingebettet zwischen viele kleine Anekdoten aus ihrem Leben mit Lancelot, dass sie schon wieder in den Mittelpunkt rückte. Ein großartig erzählter Roman, der die ganz tiefen Töne auf meiner Empathiemometer hat anschlagen lassen.