Rezension

Langweiliges Verwirrspiel ohne Tiefgang

Das Dorf
von Arno Strobel

Bewertet mit 1 Sternen

Was erwartet der Leser von einem sogenannten Psychothriller? Wenn ich mich so ein wenig zurück erinnere, war eines der interessantesten Bücher dieses Genres „Marnie“ von Winston Graham. Allerdings geht es dabei nicht um Mord und Totschlag und die Zeiten ändern sich. Trotzdem bleibt Grundlegendes grundlegend, d.h. immer gleich: man braucht einen Charakter. Und ein Autor muss etwas davon verstehen, einen Charakter aufzubauen, darzustellen und auszuleuchten.

Charakterdarstellung scheint indes nicht Arno Strobels Stärke zu sein und ich verstehe nicht, warum seine Bücher so einen reissenden Absatz finden. Kann man von einem Buch auf alle schliessen? Seine Fans schreiben, „Das Dorf“ sei eines seiner schwächeren Bücher; vielleicht sind also die anderen stärker auf der Brust, allein mir fehlt der Glaube.

Jedenfalls ist Bastian Thanner, den es auf der Suche nach seiner verschollenen Freundin Anna in „Das Dorf“ Strobels verschlägt, als literarische Figur gründlich misslungen. Und Bastian ist raumgreifend, um ihn und seine Befindlichkeiten geht es, alle anderen Figuren sind Statisten. Da hätte man doch erwarten können, dass der Autor eine große Sorgfalt an den Tag legt, einen Charakter zu schöpfen? Bastian ist verzweifelt, voller Sorge und Angst, verwirrt und fragt sich, ob er durchdreht und den Verstand verloren hat. Deshalb stellt er sich alle paar Seiten/Zeilen selbige Frage. Das ist alles und das ist so spannend wie das Knabbern an einer Schuhsohle! Natürlich wird der Leser, was die äussern Umstände angeht, ein wenig in die Irre geführt und auch die Auflösung, was mit Bastian los ist und was mit dem Dorf ist, ist durchaus unerwartet, aber interessant, faszinierend, fesselnd und glaubwürdig? Nee. Das reicht mir nicht.

Damit man den Leser unterwegs ein wenig bei der Stange hält, greift Autor in die Kiste „Horror, Folter, Brutalität“. Auch wenn er bei selbigen Schilderungen nicht bis ins Letzte geht, muss man sich fragen, inwieweit man die gewaltverherrlichende Schiene als Thriller-Autor wirklich bedienen muss und ob man nicht besser daran täte, sich wieder mehr auf eine psychologisch ausgefeilte Darstellung innerer Vorgänge zu besinnen, was allerdings ein tieferes Eintauchen in die Psychologie des Menschen voraussetzen würde, also Wissen erforderte, dessen Aneignung mit echter Arbeit und Mühsal einherginge und einem blossen Runterschreiben eines eingermassen geschlossenen Plots entgegen stünde. Doch was man heute so im Genre findet, Strobel eingeschlossen, erinnert mich an Fleischabfälle, die man glatt zurechtkloppt und zusammenklebt, von Qualität keine Spur.

Nun ja, wenn der Leser sich damit zufrieden gibt und keine Rote Karte zeigt? Denn Strobel entspricht momentan dem Massengeschmack. Warum sollte der Autor also tiefer einsteigen?

Fazit: Sowohl von der Gestaltung seines Hauptcharakters wie auch vom Stil her ist bei dem Thriller „Das Dorf“ wenig zu holen. Das literarische Know-how des Autors scheint rudimentär.

Kategorie: Krimi und Thriller // Verlag: S. Fischer, 2015

Kommentare

DinDin kommentierte am 15. Januar 2015 um 16:52

Richtig tolle Rezension. Wollte "Das Dorf" eigtl lesen, aaber das überleg ich mir jetzt, dafür gibts andere Bücher, die ich lieber lesen möchte. "Zersplittert" zB ;D

wandagreen kommentierte am 15. Januar 2015 um 17:48

Danke. Ja, "Zersplittert" wird uns bestimmt beide gleichermassen begeistern, da bin ich ziemlich sicher.

Susi kommentierte am 14. Dezember 2017 um 17:08

Danke für die Rezi ! Die hilft weiter bei der Entscheidung.