Rezension

Lebe den Moment

Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden - Emily Barr

Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden
von Emily Barr

Inhalt:
Alles an das sich Flora erinnern kann, ist ihre Kindheit und daran, dass sie Drake am Strand geküsst hat. Es war der schönste Kuss überhaupt. Flora ist verliebt. Dieser eine Gedanke ist es, der sie vorantreibt, denn jede andere Erinnerung, verschwindet innerhalb einiger Stunden. Als Floras Eltern erfahren, dass Jacob, Floras Bruder, sehr krank ist, müssen sie eine Entscheidung treffen: Sie verlassen sich darauf, dass ihre Tochter gemeinsam mit der besten Freundin Paige über einige Tage alleine klarkommen wird und reisen zu dem zweiten Kind nach Paris. Was sie jedoch nicht geahnt haben ist, dass Paige keineswegs vor hat, ihrer Freundin in dieser Zeit beizustehen. Denn Drake war ihr Freund und der Kuss passierte auf seiner Abschiedsparty. Paige weiß von Floras Verrat, denn auf deren Armen, Händen und in ihrem Notizbuch stehen Stichworte, die sie an das erinnern sollen, was passiert ist. Doch diese eine kostbare Erinnerung an den Abend ist es wert, dass Flora das Risiko auf sich nimmt. Denn eine der Botschaften ist auf ihrem Arm eintätowiert und sie lautet: Flora – Sei mutig! Flora beabsichtigt Drake zu finden, um die Erinnerung, die sie an ihn hat zu vertiefen. Auch wenn das bedeuten mag ganz alleine an den Nordpol zu reisen.

Wichtigste Charaktere:

Flora trägt überall auf ihrem Körper handgeschriebene Notizen. Diese Notizen helfen ihr sich im Alltag zu orientieren und Regeln aufzustellen, die sie einhalten sollte. Flora ist durch ihr Leben ohne Erinnerungen dazu gezwungen jede Minute zu leben wie sie kommt.

Drake wird durch Floras eine Erinnerung zu einem ganz besonderen Menschen. Er ist es, den Flora unbedingt finden will und für den sie eine Reise auf sich nimmt, die abenteuerlich und gefährlich anmutet. Durch Drake erhält Floras Leben eine Bedeutung, die es ohne sie vermutlich nie bekommen hätte.

Jacob ist Floras Bruder. Er ist sehr krank und wird vermutlich bald sterben. Jacob ist ein wundervoller Mensch, der auch über die Ferne hinweg stets für seine Schwester da war.

Paige ist Floras beste Freundin. Der Verrat an der Freundschaft, durch den Kuss zwischen Paige und Drake sitzt tief.

Floras Eltern wollen die eigenen Kinder auf jede erdenkliche Art schützen. Dabei behandeln sie Flora immer noch wie das Kind, das sie vor vielen Jahren einmal war und vergessen, dass sie mittlerweile siebzehn und fast erwachsen ist.

Schreibstil:
„Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben“ werden ist eine Geschichte, der man die Zeit geben muss sich zu entfalten. Auf den ersten Seiten lernt man eine Protagonistin kennen, die sich jeden Tag erneut an ihrer Umgebung orientieren muss. Denn Flora verliert innerhalb weniger Stunden alle Erinnerungen, die sie kürzlich noch gesammelt hat.
Die Autorin hat sich hier an ein sehr schwieriges Thema herangewagt. Denn einerseits soll der Leser sich in die Charakterin hineinversetzen können, andererseits darf er auch nicht genervt sein, von den Wiederholungen, denen sich Flora jeden Tag erneut aussetzen muss, um zu begreifen, wer sie ist, wo sie sich befindet und was sie tun muss, um ihre Pläne umzusetzen. Immer wieder klammert sich das Mädchen an die Notizen auf ihren Armen und an die eine Erinnerung, die ihr neben denen aus der frühen Vergangenheit noch bleibt. Nämlich der, dass sie einen Jungen am Strand geküsst hat, der der Freund ihrer besten Freundin war und dass sie alles tun muss, um ihn zu finden. Gerade diese Wiederholungen sind es jedoch, die man als Leser irgendwann auswendig weiß. Flora ist siebzehn, sie hat einen Jungen geküsst. Am Strand. Dieser Junge heißt Drake und lebt nun am Nordpol.
Nicht nur das ist es, was zum Einstieg die Geduld des Lesers ein wenig fordert. Auch die Tatsache, dass die Charaktere in Floras Leben nicht alle Sympathieträger sind. Da wäre Drake, der Junge, in den sich Flora so sehr verliebt hat und der direkt nach dem Kuss bei der Erwähnung von Floras Mutter in Panik ausbricht. Er verlangt, dass Flora sich keine Notizen von dem Abend macht, dass sie keinem davon erzählt. Wenigstens ist er so mutig und fragt, ob er das Mädchen, welches offensichtlich schnell vergisst, wo es sich überhaupt befindet, noch nach Hause bringen soll. Als Flora verneint, lässt er sie aber auch ohne zu zögern am Strand zurück.
Dann gibt es dort noch Paige, die mit Recht erzürnt ist, dass Flora Drake geküsst hat. Sie kündigt ihrer besten Freundin kurzer Hand die Freundschaft. Als Floras Eltern aufbrechen, um den Bruder in Paris aufzusuchen, in dem Glauben, dass Paige sich um ihre Tochter kümmern wird, reißt sie sich jedoch nicht zusammen. Sie lässt Flora alleine. Das mag man unter Berücksichtigung der Geschehnisse einerseits verstehen, andererseits ist dieses Verhalten mehr als rücksichts- und verantwortungslos.
Natürlich ist auch Flora nicht frei von Schuld. Denn in dem Moment, wo sie die Erinnerung an den Kuss für sich entdeckt hat, ist es ihr egal, ob sie ihre beste Freundin betrogen hat. In diesem Moment handelt sie egoistisch.
Am Anfang empfand ich Mitleid mit Flora. Sie ist ziemlich alleine und sie wird oft nicht wie ein vollwertiger Mensch behandelt. Sie ist anders und damit muss sie leben. Doch muss sie das wirklich? Nein, muss sie nicht. Doch um sich zu verändern muss Flora auch einmal eigennützig handeln und riskieren, dass der Leser sie für egoistisch hält.
Über die Seiten hinweg entfaltet sich dieses Buch zu einer wundervollen Geschichte. Man begegnet hier einer unglaublich mutigen Protagonistin, die ihre Ängste ignoriert, um ihr Ziel zu erreichen. Man trifft auf viele wundervolle fremde Menschen, die Flora auf ihrem Weg helfen und begreift, dass alles machbar ist, wenn man es nur versucht.
Die Entwicklung, die die Flora und auch die Personen in ihrem Umfeld durchleben, ist gravierend. Es gab Stellen, an denen ich vor Hilflosigkeit fast mit Flora geweint hätte. Ich habe die Protagonistin für ihren Mut und ihre Kraft bewundert. Ich habe gebangt, dass Floras Hoffnungen nicht zerstört werden mögen. Und ich war von Herzen froh, dass es diese Menschen gab, die Flora nie verlassen haben und die zu ihr standen, als sie sie gebraucht hat.

Fazit:
Emily Barr wagt hier etwas Neues. Man muss dem Roman Zeit geben, damit er sich entwickeln kann, um richtig gut zu werden. Gibt man diesem Buch eine Chance, wird man mit einer Erzählung belohnt, die zu berühren weiß. Dadurch, dass Flora jede Erinnerung sofort vergisst, stolpert sie von einer Schwierigkeit in die nächste - und bewegt sich durch diesen Sumpf doch wie ein Stehaufmännchen, dass viel Kraft und Mut aufwenden muss, um Träume zu verwirklichen. Die Botschaft des Buches ist klar: Trau dich deine Wünsche anzugehen. Schau nicht zurück. Sei stark und du hast die Möglichkeit alles zu schaffen.
"Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden" zeigt, dass die Vergangenheit nicht die Gegenwart verschlingen muss. Da wir es für selbstverständlich halten, dass die Vergangenheit in die Zukunft wirkt, eröffnet Floras Geschichte interessante neue Perspektiven und Denkansätze.
Diese Geschichte verleiht Mut und gibt Hoffnung. Hier erlebt man ein Abenteuer der ganz besonderen Art.