Rezension

Lebendig geschriebene Biografie mit zeitgeschichtlichem Hintergrund

Margaret Stonborough-Wittgenstein - Margret Greiner

Margaret Stonborough-Wittgenstein
von Margret Greiner

Bewertet mit 5 Sternen

Was für eine Frau, was für eine Familie: die Wittgensteins im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die titelgebende Hauptperson Margret Stonborough-Wittgenstein. Erstaunt hat mich der Kontrast, der sich durch ihr Leben und somit durch das ganze Buch zog: Reichtum und Luxus einerseits, soziales Engagement andererseits, familiärer Zusammenhalt einerseits und Mangel an Liebe und Zärtlichkeit andererseits.

Aber - auch hier stimmt mal wieder der Spruch: Geld allein macht nicht glücklich. Der Großindustrielle Wittgenstein, Margrets Vater,  mutet seiner Frau neun Kinder zu. Sie ist überfordert, geschwächt und tritt kaum in Erscheinung. Die Erziehung der Kinder überlässt sie Kinderfrauen und Hauslehrern, die ihre Aufgabe mehr schlecht als recht ausüben. Den Kindern steht alles an Bildungsmöglichkeiten offen, auch den Mädchen, aber es mangelt ihnen an elterlicher Zuwendung. 

Der dominante Vater bestimmt alles, will den Zukunftsweg der Kinder, vor allem der Söhne bestimmen. Obwohl sie eher musisch begabt sind, will er sie in eine bestimmte Richtung zwingen. Zwei von ihnen, anscheinend psychisch labil, nehmen sich aus den unterschiedlichsten Gründen das Leben, beim dritten ist der Tod nicht geklärt. Seine Tochter Margaret gibt ihm die Schuld. "Als Vater hat er vollständig versagt." (51) 

Außer einer – Helene - wirken alle auf mich beziehungsunfähig. Auch Margrets Ehe mit dem Amerikaner Jerome wird nicht glücklich. Er hatte ihr imponiert, weil er sie, die an Mathematik und Physik interessierte hochintelligente Frau ernst nahm und nicht in die Rolle des Hausmütterchens drängen wollte. Allerdings schien sie der körperlichen Seite der Ehe nichts abgewinnen zu können und erst als Jerome sich erschossen hatte, übte sie Selbstkritik und erkannte, dass sie Fehler in ihrer Beziehung gemacht hat, dass sie Jerome keine Zärtlichkeit geschenkt hat und dass sie viele andere Männer ihm vorgezogen hat – als Gesprächspartner. (S. 248)

Dem unsteten Leben mit Jerome an vielen verschiedenen Orten begegnete sie mit ihrem Talent zur geschmackvollen Inneneinrichtung. Das scheint ebenso ihre Leidenschaft zu sein wie die Einmischung in das Leben anderer. Sie hat sich durchaus Verdienste erworben, indem sie sich sehr um andere Menschen kümmert, Siegmund Freud zur Flucht verhilft, sogar zwei Söhne einer verarmten deutschen Adelsfamilie aufzieht, aber aus ihren Tagebucheinträgen und Briefwechseln geht hervor, dass sie sich ständig in das Leben anderer einmischt und zu wissen glaubt was gut für sie ist (199). Das ist wohl ihre Art, Befriedigung im Leben zu finden. Wie schade, dass Freud ihr da nicht helfen konnte ;-( 

Die Autorin erzählt das Leben dieser schillernden Persönlichkeit zwischen Luxus und sozialem Engagement gut recherchiert und stilistisch gehoben, ergänzt mit vielen Fotos. Auch der zeitliche Hintergrund kommt nicht zu kurz, politisch und künstlerisch. Es ist die Zeit des Jugendstils in Wien, die Secession, Gustav Klimt. Und genau dieser Maler ist es, der von Margret Stonborough-Wittgenstein ein wunderschönes Bild gemalt hat, das das Cover dieses Buches ziert.

Wer gerne Biografien liest, für den ist diese aus der Feder von Margret Greiner sehr empfehlenswert.