Rezension

Leichtfüssig dahertippelnde Schwermut

Mein schlimmster schönster Sommer - Stefanie Gregg

Mein schlimmster schönster Sommer
von Stefanie Gregg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich hatte aufgrund der Kurzbeschreibung zunächst einen Roman erwartet, der von neu entdeckter Lebenslust nach einem Krankenhausaufenthalt, im Sinne von: nach überstandener Krankheit, erzählen würde, doch bereits die ersten Sätze liessen diese Erwartung vergehen: Denn die junge Unternehmensberaterin Isabel ist nur kurzzeitig aus dem Krankenhaus entlassen worden, nachdem bei ihr ein Tumor entdeckt worden war, und in 14 Tagen wird ihre Prognose definitiv feststehen und Isabel wird sich ggf. für oder gegen die Therapie entscheiden müssen. Ihr Arzt rät ihr, bis dahin Urlaub zu machen und nicht zu sehr über die Schwere der Erkrankung zu grübeln und als sie zufällig dem jungen Musiker Rasso begegnet, der schweren Herzens just seinen VW-Bus verkaufen will, überredet sie ihn, ihr den Bus stattdessen für zwei Wochen zu vermieten, denn auf der Suche nach ihren Kindheitsträumen hat Isabel kurzerhand beschlossen, gen Provence reisen zu wollen. 
Da Rasso den Bus zunächst aber noch selbst benötigt, um einige den Nachlass seiner Mutter betreffenden Dinge zu regeln, einigen sich die Beiden darauf, dass sie zunächst zusammen reisen und Isabel den Umweg über Rassos Heimat mit in Kauf nimmt und von dort alleine weiter in Richtung Provence fährt. 
So lernt Isabel quasi eine völlig neue Welt kennen: Rasso, der unstete Musiker und eher ein Hippie-Typ, lebt in den Tag hinein und feiert die Feste wie sie fallen, während Isabel vor Seriösität nur so strotzt und bisher hauptsächlich für ihre Arbeit gelebt und sich über diese definiert hat, welche ihr jetzt völlig unwichtig erscheint. 

Weitgehend wird "Mein schlimmster schönster Sommer" von Isabel erzählt, zum Ende hin sind kurze Kapitel auch von beispielsweise Isabels Arzt, der sich den Kopf darüber zerbricht, dass Schockdiagnosen nie gut überbracht werden können, oder ihrem Lebensgefährten Georg, der Isabels Solo-Reise zum Anlass nimmt, die Beziehung zu überdenken und darüber sinniert, ob er diese Partnerschaft nicht auch viel zu nüchtern betrachtet und als zu selbstverständlich behandelt hat. 
Auf der anderen Seite überlegt aber auch Isabel, ob die Beziehung zum ebenso wie sie karrierefixierten Georg nicht viel mehr Bequemlichkeit als Leidenschaft war, denn mit Rasso, den sie rein als Kumpeltyp sieht, hat sie nun so viel mehr Spass am Leben: Tatsächlich geraten die Beiden auf ihrer gemeinsamen Fahrt in allerlei irrwitzige Situationen und treffen auf die komischsten Gestalten und Isabel hat Freude an Dingen, die sie zuvor nie getan haben würde (wie z.B. Nackt-Yoga), und ordnet diese Lebenslust auch klar ihren immer häufiger auftretenden Schmerzen unter. 
Je länger die Reise mit Rasso andauert, desto trauriger wird die Geschichte, denn Isabel hält ihren medizinischen Status zwar geheim, aber aufgrund ihrer Erzählerrolle wird einem klar übermittelt, dass es ihr immer dreckiger geht: Aber auf der anderen Seite steht der unbändige Spass, den Isabel grade hat, und man schwankt zwischen der Euphorie, sie anfeuern zu wollen, ihr zuschreien zu wollen, dass sie das schafft, das sie das alles überstehen wird und zwischen der Furcht, dass am Ende ihrer Reise nicht die Provence, sondern der Tod wartet. 

Der Roman, der sehr leicht beginnt, wird inhaltlich immer schwerer, so wie der Tumor immer mehr Besitz von Isabel ergreift und wer keine Krebsgeschichten lesen mag, vielleicht ohnehin labil ist, der sollte diesen Roman definitiv nicht lesen. Aber wenn man von Hoffnung und Lebenslust, trotz des Wissens, dass wir letztlich in jedem Fall alle sterblich sind, lesen will, ist dies sicherlich ein geeigneter Roman, auch um darüber nachzudenken, wie glücklich und zufrieden man eigentlich in seinem eigenen Ist-Lebenszustand ist.