Rezension

Leidenschaftliche Surfer-Lektüre

Barbarentage - William Finnegan

Barbarentage
von William Finnegan

Bewertet mit 2.5 Sternen

William Finnegan, geboren 1952, arbeitet seit 1987 als Journalist für den ‚New Yorker‘. Er schrieb vielbeachtete Reportagen über den Bürgerkrieg im Sudan, das Apartheidsregime in Südafrika und Neonazis in Kalifornien und arbeitete als Kriegsreporter. Schon als Kind verfällt er dem Surfen, das ihm damals Respekt verschafft. Später jagt es ihn hinaus in die Welt – Samoa, Indonesien, Australien, Südafrika. In ‚Barbarentage‘ erzählt er die Geschichte dieser lebenslangen Leidenschaft und gewinnt damit 2016 den Pulizer-Preis in der Kategorie ‚Autobiografie‘. In den USA, in Spanien und in Frankreich stand das Buch monatelang auf den Bestsellerlisten.

Ich mag autobiografische Bücher von Weltenbummlern, ließ mich von der Leseprobe überzeugen und freute mich aufs Lesen, auch wenn ich nicht die leiseste Ahnung vom Surfen hatte. Eingangs schildert der Autor, wie er zum Surfen kommt und seine Leidenschaft dafür entdeckt. Surfen ist für ihn kein Sport, sondern ein Weg.

„Dieser Weg führte weg vom Bürgerlichen, in der althergebrachten Bedeutung des Wortes, hin zu einer selbstgezimmerten Grenze, an der wir als neuzeitliche Barbaren leben würden. Das war nicht mehr der Tagtraum vom glücklichen Gammler. Es ging deutlich tiefer. Mit echter Hingabe Wellen zu jagen, das war zutiefst egozentrisch und selbstlos zugleich, voller Dynamik und Askese, radikal in seiner Abkehr von den Werten der Pflichterfüllung und vom Erfolg im konventionellen Sinn.“ (S. 129)

Und so erklärt er eines Tages seiner Freundin, dass er nach Westen an die Küste reisen, und irgendwann von Osten zurückkommen werde. Er zieht umher, und wenn es ihm gefällt oder er zur Finanzierung der Weiterreise arbeiten muss, lässt er sich für einige Zeit nieder. Ich las gern darüber, wie er entlegene Orte entdeckt, neue Formen des Daseins kennen lernt und sich dabei persönlich weiter entwickelt.

„Manchmal geriet ich in Panik, fest überzeugt, dass ich meine Jugend damit verschwendete, ziellos auf der dunklen Seite des Mondes umherzuwandern, während in Amerika alte Freunde und Klassenkameraden in meinem Alter sich ein Leben, eine Karriere aufbauten, erwachsen wurden.“ (S. 292)

Lange Zeit ist Finnegan wie besessen vom Surfen und diese Leidenschaft sprang beim Lesen sogar auf mich Nicht-Surfer über. Bei seinen Beschreibungen spürte ich die Wellen, roch das Meer und war bereit Surfen auf der Stelle ausprobieren, weil ich mir sicher war, dass es auch mich einfach begeistern musste.

„Wenn man surft, so wie ich es damals verstand, lebt man für die Wellen, man atmet Wellen. Man weiß immer, wie die Brandung sich entwickelt.“ (S. 141)

Aber bei etwa der Hälfte des Buches ließ meine Begeisterung nach. Ellenlange Beschreibungen der von Ort zu Ort unterschiedlichen Wellen begannen mich zu langweilen, weil ich das Besondere und Hervorhebenswerte eben doch nicht nachvollziehen und nachspüren konnte. Hinzu kommt, dass diese Schilderungen nicht ohne umfangreiches Surfer-Latein auskommen, von dem ich mich manchmal regelrecht erschlagen fühlte, auch wenn ein vierseitiges Glossar typischer Surf-Begriffe am Ende des Buches um Aufklärung des Lesers bemüht ist.

„Es waren Wellen dabei, die ganz sauber vom Point bis in die Bucht brachen, mehrere hundert Meter weit, Wellen von einer Schönheit, dass mir leicht mulmig wurde, als ich sah, wie sie sich dem Offshore-Wind entgegenwarfen. Das hier war kein klassischer Pointbreak nach dem Muster von Rincon. Vor allem weiter draußen sahen wir gewaltige Sections, die unsurfbar wirkten, […]“ (S. 142)

Schließlich ertappte ich mich dabei, wie ich solche Beschreibungen nur noch weiträumig überflog, insgesamt mein Interesse immer geringer wurde und brach nach zwei gelesenen Dritteln das Buch endgültig ab. Die Wellenbeschreibungen waren für mich zu ermüdend, auch wenn ich die Leidenschaft des Autors hierfür durchaus nachvollziehen kann. Auch könnte ich mir vorstellen, dass die Besonderheiten der Wellen an den unterschiedlichen Standorten für passionierte Surfer durchaus interessant, informativ und mitreißend sein könnten, weshalb ich ‚Barbarentage‘ Surfern empfehlen möchte – für mich war dieses Buch leider nicht das Richtige.