Rezension

Leider kein richtiger Gruselroman

Der Besucher - Sarah Waters

Der Besucher
von Sarah Waters

Bewertet mit 3 Sternen

Inhaltlich lässt sich dieser dicke Schinkenroman recht schnell zusammenfassen: Dr. Faraday wird auf das Anwesen der Familie Ayres gerufen, da sich ihre Hausdienerin über starke Bauchschmerzen beschwert. Doch Dr. Faraday durchschaut sehr schnell die Lage und hält dem Mädchen vor, dass sie nur simuliert. Der Grund für die Simulation: Das 15-jährige Mädchen möchte wieder nach Hause zu ihren Eltern, da mit diesem Haus etwas nicht stimmt. "Da ist etwas Böses im Haus."
Allein dieser Satz lässt auf eine spannende und schaurige Geschichte hoffen. Dr. Faraday nimmt allerdings solche Aussagen nicht ernst. Er sieht in diesem Haus ganz und gar nichts Böses, immerhin verknüpft er mit dem Anwesen einige wenige Erinnerungen. Auch erinnert ihn die Umgebung an seine verstorbene Mutter, die dort als Kindermädchen eingestellt war... Mit der Zeit freundet sich Faraday immer mehr mit den Hausbesitzern, der Familie Ayres an. Doch als er selbst einige mysteriöse Umstände mitbekommt und selbst der Hausherr von diesem "bösen Etwas im Haus" erzählt, bleibt der Protagonist skeptisch. Sein rationaler Verstand lässt es einfach nicht zu eine nicht-wissenschaftliche Erklärung anzunehmen. So bleibt man als Leser immer im Zwiespalt: Gibt es für all das eine wissenschaftliche Erklärung oder ist da wirklich etwas "Böses" im Haus? An sich hat die Autorin das geschickt eingefädelt und die Hintergründe wirken gut durchdacht.
Leider nimmt es den Schauereffekt des Romans. Wer also eine schöne Schauergeschichte erwartet wird eventuell enttäuscht werden und das auch zurecht, immerhin wird dieser Roman als solches beworben! Doch meiner Meinung nach trifft die Bezeichnung Schauerroman nicht wirklich auf dieses Buch zu. Es geht da um viel mehr. Zum Teil erinnerte es mich auch an einen historischen Roman, da einem ein paar Einblicke auf die Gesellschaft während der Nachkriegszeit in England gewährt werden: Die schlechten Lebensverhältnisse und Gesundheitsbedingungen der einfachen Leute auf dem Land und der Niedergang des Adels und deren gesellschaftlichen Strukturumwandlungen. Zudem versuchte Sarah Waters eine Verbindung zwischen Paranormalem und der Wissenschaft herzustellen. In der Hinsicht ist die eigentlich Grundidee gar nicht mal so dumm, im Gegenteil! Was mich aber einfach ärgert ist die Aufmachung des Buches. Ohne das Buch zu kennen, hat man den Eindruck einen schönen, klassischen und vielleicht auch einen etwas altmodischen Schauerroman vor sich zu haben. Man geht einfach mit einer ganz anderen Erwartungshaltung an den Roman ran und das finde ich schade.
Positiv anzumerken ist übrigens der Schreibstil von Sarah Waters. Die Autorin schafft es die Geschichte und Umgebung unglaublich atmosphärisch und lebendig zu beschreiben. Man kann sich beim Lesen wunderbar in das Jahr und in die Umgebung hineinversetzen. Die Charaktere wirken ebenfalls authentisch, vor allem weil man nicht hundertprozentig mit ihnen sympathisiert. Die Spannung geht dabei allerdings an einigen Stellen flöten. Der Roman schafft es nicht einen komplett in den Bann zu ziehen, auch wenn ich die Beschreibungen noch so schön fand. An manchen Stellen fand ich die Geschichte ziemlich lahm und schleppend. Allerdings fand für mich immer ein Ausgleich zwischen Spannung und Stil statt. Aber was mich dann doch am meisten ärgerte war das Ende. Nachdem ich das Buch zugeklappt hatte, fühlte ich mich irgendwie unbefriedigt. Der Schluss wirkte für mich etwas zu abrupt und für mich passte es einfach nicht!
Ein Buch, dass einen etwas zwiegespalten zurücklässt: Steht man nun auf der Seite des Paranormalen oder der Wissenschaft? Fand ich das Buch gut oder nicht besonders?
Aus diesem Grund entschied ich mich das Buch mit drei von fünf Punkten zu bewerten.