Rezension

Lesenswerte Familiensaga über drei Generationen, über familiären Zusammenhalt, die Suche nach den Wurzeln und Migration

Bella Germania - Daniel Speck

Bella Germania
von Daniel Speck

Bewertet mit 5 Sternen

Und plötzlich steht ein silberhaariger alter Mann vor Julia, der talentierten, aber nicht besonders erfolgreichen Modedesignerin aus München und sagt, er sei ihr Großvater. Das ist mehr Schock als positive Überraschung, denn Julia weiß so gut wie nichts von ihrem italienischen Vater und schon gar nicht von einem Großvater, weil ihre Mutter ihr so gut wie alles verschwiegen hat. Hatte sie bisher den Gedanken daran verdrängt, weiß sie nun, dass ihr Vater noch lebt und dass ihr Großvater vor seinem Tod reinen Tisch machen möchte. Jetzt will sie alles erfahren und ihre Familie finden.

Dabei sind einige gar nicht so weit von ihr entfernt, denn sie betreiben in München ein Feinkostgeschäft. Nach und nach erfährt sie von ihnen und vom Großvater Teile der Geschichte ihrer Herkunft.

Sie kann nicht anders und macht sich auf den Weg nach Italien zu ihrem Vater. Es geht um alte Geschichten, alte Schuld, die Frage, ob man sein Leben auf Lügen gründen kann, um niemanden zu verletzen, vor allem aber die Frage, wie viel Familie gut für einen Menschen ist, wie sehr familiäre Verpflichtungen in ein Leben eingreifen und die Richtung bestimmen dürfen. Einerseits gibt der Zusammenhalt in der Familie Sicherheit und Geborgenheit, andererseits kann die individuelle Freiheit ganz schön eingeschränkt werden. Das ist wohl in Deutschland mit seiner Betonung der Selbstverwirklichung weniger der Fall, aber doch sehr in südlichen und östlichen europäischen Ländern. Julias Großmutter Giulietta, der sie übrigens wie aus dem Gesicht geschnitten ist, hat das Zurückstellen ihres eigenen Lebens, ihrer Talente, der Aufopferung für die Familie zu Unglück geführt und auch das Leben derer beeinträchtigt, die sie lieben.

Außer diesem großen Thema 'Familie' geht es auch um Einwanderung, um das Zurechtkommen in der Fremde und darum, wie zur Arbeit eingeladene Menschen – 'Gastarbeiter' – empfangen werden.

Ein richtiger Schmöker, atmosphärisch dicht geschrieben und nachdenklich machend, berührend und sehr empfehlenswert.

Interview mit Daniel Speck und Lesung aus dem Buch in drei Teilen:

https://www.youtube.com/watch?v=W478DbIg6Ds

https://www.youtube.com/watch?v=7UbReF2fCyg

https://www.youtube.com/watch?v=so2537lMRP8