Rezension

Liebe auf den zweiten Blick

Für uns macht das Universum Überstunden - Meredith Walters

Für uns macht das Universum Überstunden
von Meredith Walters

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt
Ellie McCallum ist der festen Überzeugung, dass sie kein Happy End verdient hat. Denn als Jugendliche hat sie zusammen mit ihren Freunden ihren Mitschüler Flynn, den Jungen mit Asperger, fertig gemacht und sogar dessen Haus in Brand gesteckt. Dafür landete sie im Jugendgefängnis. Sechs Jahre später steht Flynn plötzlich wieder vor ihr und damit kehren Ellies Schuldgefühle mit voller Wucht zurück. Nicht nur das: Flynns Erscheinen weckt in ihr auch tief vergrabene Gefühle. Denn Ellie und Flynn verband, trotz allem, was sie ihn angetan hat, eine enge Freundschaft - und etwas, das Liebe sein könnte. Damals konnte sie vor ihrer Clique nicht zu ihm stehen. Bekommt sie jetzt eine zweite Chance?

Meinung
Es fiel mir nicht ganz so leicht, mich mit dem Roman anzufreunden, wie ich gedacht hätte. Der Prolog war super und hat mich neugierig gemacht, aber ich war dennoch nicht ganz darauf vorbereitet, was mich erwartet. Zunächst war ich erstmal ein wenig geschockt bzw. irritiert aufgrund der Ausgangslage, weil diese nicht direkt aus dem Klappentext hervorging. Ellies Umfeld ist (man kann es leider nicht anders bezeichnen) asozial, was sich automatisch im Erzählstil widerspiegelt, d.h. es wird viel geflucht, ungefiltert beschrieben, wenn ihre sogenannten Freunde miteinander zur Sache kommen (und das passiert sehr häufig, da im Prinzip jeder mit jedem was hat) und Drogen und Alkohol konsumieren. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Mit Ellie hatte ich daher auch - wie sie als Erzählerin im Prolog selbst angekündigt hat - große Probleme. Sie ist nicht gerade Everybodys Darling mit ihrer großen Klappe und ihrem abweisenden, kühlen Auftreten. Damit kam ich soweit klar. Meine Abneigung rührte eher daher, dass sie nicht in der Lage war, ihren sogenannten Freunden mal Kontra zu geben, obwohl sie sonst keine Probleme damit hat, anderen die Stirn zu bieten. Ich kann sie zum Teil verstehen, denn schließlich sind Danica, Stu & Co. die einzigen Menschen, die sie hat. Natürlich hat man da Angst, sie auch noch zu verlieren. Aber meiner Meinung nach müsste wahre Freundschaft auch Ehrlichkeit vertragen können - was Ellie Gott sei Dank auch allmählich selbst dämmert. Ich persönlich hätte angesichts Danicas Verantwortungslosigkeit und ihrem Egoismus nicht so lange die Ruhe bewahren können (ich habe Danica richtiggehend gehasst). Was Ellies Nachgiebigkeit allerdings auch zeigt, ist, dass ihr hartes Getue nur Facade ist. Im Inneren ist Ellie durchaus sensibel.  Das war einer der Gründe, warum ich weitergelesen habe, denn es ließ mich vermuten, dass sich Ellie zu einer Person entwickeln würde, die ich tatsächlich mögen könnte. Aber erst, als sie endlich für sich bzw. Flynn eingestanden ist, wurde ich wirklich mit ihr warm und habe begonnen, sie zu respektieren. Mein Durchhaltevermögen hat sich also ausgezahlt.

Flynn war - wie prädiziert - wirklich toll, aber eben auch kein einfacher Charakter. Walters hat seinen alltäglichen Kampf sehr gut herausgearbeitet, sodass ich seine Schwierigkeiten bei der Interpretation der Emotionen und Intentionen anderer Menschen und bei der Expression seiner eigenen Gefühle sehr gut verstehen konnte. Gleichzeitig war es dadurch umso bewundernswerter, wie rücksichtsvoll und geduldig Ellie mit ihm umgegangen ist. Die Flashbacks aus Flynns Perspektive sind sehr simpel und kindlich anmutend geschrieben, was gut zu ihm passte (auch wenn ich keine Ahnung habe, ob Menschen mit Asperger wirklich so denken). Manchmal ist diese Ausdrucksweise aber auch in Ellies Sichtweise "hineingeschwappt", was sich wiederum nicht mit Ellies übriger Erzählweise vereinbaren ließ. Allgemein bin ich in Bezug auf den Schreibstil zwiegespalten. Überwiegend handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Hauptsätze, wodurch der Rhythmus etwas stockend ist. Im Großen und Ganzen passt das zum Ton der Geschichte, weil es eine gewisse Sachlichkeit und Härte transportiert, aber manchmal fand ich die Schreibweise einfach anstrengend. Letzteres gilt auch für die vielen Wiederholungen in Bezug auf Ellies vergangenes grausames Verhalten und ihren schlechten Charakter (speziell ihre Freude daran, Flynn Schmerz zuzufügen). Zwar wurden dadurch ihre Schuldgefühle besonders deutlich hervorgehoben, aber es wurde auf Dauer auch eintönig. Da das Geschehen davon abgesehen aber eine gute dramatische Struktur aufwies, kann ich darüber weitgehend hinwegsehen. Ellies und Flynns Beziehung ebenso wie Ellies Clique haben für ein stetiges Auf und Ab gesorgt, da beide Handlungsstränge enormes Konfliktpotenzial besitzen. Als Leserin wurde ich durch die abwechselnd süßen und frustrierenden Momente emotional auf Trab gehalten. Aufgrund dessen war "Für uns macht das Universum Überstunden" ein besonderes Leseerlebenis, das ich nicht missen wollen würde.

Fazit
Anfangs war ich angesichts des toxischen Umfelds der Protagonistin etwas überrumpelt und ich hatte starke Probleme, mich in sie hineinzuversetzen. Da Ellie aber durch die Interaktion mit Flynn ihre softere Seite gezeigt und weil der Handlungsverlauf das Lesen zu einer emotionalen Achterbahnfahrt gemacht hat, ist Walters Roman eine Geschichte, die mir positiv im Gedächtnis bleiben wird.

 

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