Rezension

Liebe Geschichte, aber oft zu viel des Guten...

Mit jedem Jahr - Simon van Booy

Mit jedem Jahr
von Simon Van Booy

Bewertet mit 3 Sternen

Als die kleine Harvey von einem auf den nächsten Tag Vollwaise wird, nimmt sich ihr dubioser Onkel Jason ihrer an. Dieser ist vorbestraft und hat bereits eingesessen. Mit Hilfe der tüchtigen Wanda vom Jugendamt schaffen sie es, dass Harvey bei ihrem Onkel einzieht. Zwanzig Jahre später besucht Jason seine Nichte in Paris, wo sie beruflich zu tun hat. Da der Vatertag kurz bevor steht, hat Harvey sich etwas ganz besonderes ausgedacht. Sie hat viele kleine Erinnerungsstücke gesammelt, die Jason nach und nach auspackt – zwischen Versailles und Notre Dame, während sie all die Pariser Sehenswürdigkeiten erkunden. Jedes Geschenk erzählt eine Episode aus ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Und am Ende gibt es noch ein Geheimnis zu lüften.

Simon van Booy erzählt eine sehr liebenswerte Geschichte in klarer, unverschnörkelter Form, was mir sehr gut gefallen hat. Insbesondere die Rückblicke auf die gemeinsamen Jahre von Jason und Harvey, aber auch die Rückblicke in Jasons frühere Vergangenheit habe ich sehr gemocht und gern gelesen. Da gab es viele „erste Male“ für die Beiden in jeglicher Hinsicht, viele Hürden und es gab immer eine am Ende recht wohlwollende Lösung für das eine oder andere Problem. Diese Episoden erschienen mir zumeist sehr lebensnah, sie konnten mich erreichen und bewegen.

Die Szenen in der Gegenwart jedoch – das Wiedersehen von Harvey und Jason in Paris nach zwei Jahren der Trennung – war mir oft zu übertrieben lieb, teilweise sogar albern und befremdlich. Dieses Schlendern durch Paris und das gemeinsame Erinnern hat einerseits unpersönlicher und hölzerner auf mich gewirkt, andererseits ist es in allem, was Gefühle und das Miteinander betrifft, ein bisschen aufgesetzt dahergekommen. Hier habe ich einen starken Unterschied zu den Szenen aus der Vergangenheit wahrgenommen.

Es bleiben am Ende zudem einige Fragen offen, z.Bsp.: hat Harvey ihre gesamte Kindheit nur mit ihrem Vater und in der Schule verbracht? Hatte sie keine richtigen Freunde? Es macht jedenfalls ein bisschen den Eindruck. Diese Geschichte beschränkt sich voll und ganz auf die Beziehung von Vater und Tochter, andere Personen werden (mit ganz wenigen Ausnahmen) maximal nur am Rand erwähnt. Sicherlich ist es genauso vom Autor gewollt, auf mich wirkt es aber zusätzlich etwas unwirklich.

Fazit: Die klare und unverschnörkelte Sprache hat mich begeistert. Auch die meisten Rückblicke waren sehr schön und nachvollziehbar erzählt und haben mich berührt. Am Ende bleiben jedoch Fragen offen und die Tatsache, dass die Gegenwartsgeschichte für mein Empfinden dann doch eher kitschig und aufgesetzt wirkt. Ein nettes Buch, aber keine unbedingte Leseempfehlung von mir.
       

Kommentare

LySch kommentierte am 12. Mai 2017 um 10:14

Danke für deine schöne, ehrliche Rezi! Die Geschichte klingt toll, aber irgendwie reagiere ich im Moment (auch nach dem Roman von Karine Lambert) ein wenig empfindlich auf Kitsch und aufgesetzte Momente... :D Da lass ich dann lieber die Finger von diesem Buch ;)