Rezension

Liebe, Hass und Tod

Sturmhöhe - Emily Brontë

Sturmhöhe
von Emily Brontë

Bewertet mit 4 Sternen

Küss mich noch einmal, aber lass mich nicht deine Augen sehen! Ich verzeihe dir, was du mir angetan hast. Ich liebe meinen Mörder - aber deinen? Wie könnte ich? S. 215

Gleich zu beginn des Romans trifft man als Fremder zusammen mit Mr Lockwood auf dem Anwesen Wuthering Highs ein und erfährt erst einmal eine mehr als ruppige Behandlung. Nach und nach wird man anschließend von Haushälterin Nelly über die zwei Generationen umfassende dramatische Geschichte der dort abgeschieden lebenden Familien Linton und Earnshaw aufgeklärt. Nelly war von klein auf dabei, hat aber als Angestellt einen eher neutralen Blick auf die Geschehnisse. Diese Erzählperspektive gemischt mit aktuellen Ereignissen hat mir sehr gut gefallen. Auch das Ende der Geschichte erfährt man dann zusammen mit Lockwood bei einem erneuten Besuch auf Wuthering Highs. Dieser Kniff hält wunderbar die Spannung hoch und macht die Geschichte "rund".

Die Familien Earnshaw und Lockwood bilden einen schönen Kotrast. Die einen wild, freiheitsliebend aber etwas roh. Die anderen behütet, wohlerzogen aber etwas langweilig. Außenseiter Heathcliff, der zu keiner der Familien gehört sorgt für ordentlich Reibung. Er ist undurchschaubar, durchtrieben und fast schon böse, hat aber auch eine sehr sehnsuchtsvolle Seite, die er nur selten zeigt. Allerdings liegt in dieser Figur auch Kritikpotential. Zwar bildet Heathcliff den Dreh- und Angelpunkt des Buches, dennoch bleibt er leider zu mysteriös. Weder seine Herkunft, noch was er während seiner Abwesenheit getan hat werden aufgeklärt. Da fragt man sich, ob Bronte überhaupt eine Auflösung im Kopf hatte oder ob Heathcliff einfach nur so undurchschaubar wie möglich sein sollte.

Der Roman liest sich flüssig. Gerade zum Ende hin konnte ich das Buch nur schwer weglegen. Viele Wendungen und neue Intrigen Heathcliffs sorgen für Spannung. Anders als bei Austen steht hier nicht das „wer kriegt wen“ oder „wer erbt was“ im Vordergrund. Es geht zusätzlich um Glück oder Unglück, um Anerkennung und Gerechtigkeit - die natürlich Auslegungssache ist. Dazu passen die starken Charaktere. Brontes weibliche Figuren sind durchweg gefestigter als die Männer, die alle eine Schwäche zu haben scheinen: Alkoholsucht, fehlendes Durchsetzungsvermögen, Verschlossenheit, Gewalttätigkeit. Trotzdem sind die Frauen keine willenlosen Püppchen. Sie sind willensstark, haben meist die besseren Absichten und sind leidenschaftlich. Besonders die pragmatische Nelly hat mir gut gefallen. Und auch der junge Linton ist in seiner Ambivalenz ganz großartig gelungen, wenn auch absolut kein Sympathieträger.

Der in meiner Ausgabe abgedruckte Stammbaum war zwar hilfreich, da ich mit den ähnlich klingenden Namen (Heathcliff, Hareton, Hindley und dann noch zwei Catherines und zwei Lintons...) einige Schwierigkeiten hatte. Allerdings sollte man sich den nicht zu genau anschauen, da er genau genommen das Ende verrät. Trotzdem ist Sturmhöhe ein sehr lesenswerter Klassiker, der besonders durch sein Personal und seine Erzählweise besticht.

Kommentare

Nelebooks kommentierte am 01. Dezember 2016 um 14:27

Das Buch muss ich auch unbedingt noch lesen!