Rezension

"Liebe wird von Hass verschlungen" – Düsterer psychologischer Horror

Bösartig - Greg F. Gifune

Bösartig
von Greg F. Gifune

Bewertet mit 4 Sternen

Cameron Horne ist Anfang 40 und lebt den amerikanischen Traum: Er hat eine bildhübsche Frau, die er abgöttisch liebt; eine beispielhafte berufliche Karriere und ein schönes Heim. Doch dann taucht eines Tages ein fremder Mann in seinem Garten auf, der viele Dinge über ihn zu wissen scheint, seine Kollegen und seine Chefin stellen ein seltsames Verhalten bei ihm fest und er selbst erleidet Blackouts und Wahnvorstellungen. Immer öfter verliert er die Kontrolle über sich selbst, hört Stimmen, sieht Schatten – und dann ist da noch diese unbändige Wut in ihm. Was passiert mit Cam? Verliert er womöglich den Verstand oder ist es etwas Dunkles, Böses, das ihn lenkt?

Leseeindruck

"Bösartig" ist mittlerweile das dritte Buch, das ich von Autor Greg F. Gifune gelesen habe und er schafft es auch mit diesem Horror-Thriller, mich abzuholen. Im Nachwort richtet der Autor einige Worte an seine Leser und schreibt unter anderem, das diese Geschichte in groben Zügen auf einer seiner Kurzgeschichten ("Runaway") beruht, die 1999 erstmals in einem Magazin publiziert wurde. Gifune sah in dieser Story das Potenzial zu einem Roman und hat sich diesen Wunsch mit "Bösartig" (Org. "Rogue", 2014) erfüllt. Ein gelungenes Unterfangen, das dank dem Voodoo Press-Verlag nun auch uns deutschen Lesern zugänglich gemacht wurde.

Zum Inhalt werde ich hier nicht viel schreiben (oben Erwähntes sollte vollkommen reichen), da ich finde, man sollte sich besonders bei Gifune unvoreingenommen auf die Geschichte einlassen. Ich selbst habe tatsächlich noch nicht einmal die Inhaltsbeschreibung vor der Lektüre gelesen. Doch was erwartet den Leser hier? Nun, Gifune ist ein Meister des latenten aber allgegenwärtigen Horrors, dabei spielt er mit dem Leser auf eine sehr intensive Art und Weise. Man wird in die Geschichte hineingesogen, zu einem Teil von ihr und kann schon bald (gleich dem Protagonisten) nicht mehr unterscheiden zwischen Realität und Einbildung. Die gewählte Ich-Perspektive verstärkt dieses Phänomen noch zusätzlich.

Die Figuren, hier vor allem der Protagonist Cameron (Cam) sind gut ausgebaut. Cam selbst ist in meinen Augen kein reiner Sympathieträger – er hat seine Schwächen und Fehler, trägt sein Päckchen mit sich herum, geht damit aber anfangs durchaus souverän um. Umso erschreckender ist es, seinen zunehmenden geistigen Verfall mitzuerleben. Doch ist es überhaupt ein Solcher? Dies ist ein weiteres von Gifunes Auszeichnungsmerkmalen: Er deutet an, weist mögliche Richtungen aus, gibt aber nie klare Antworten und überlässt es der Fantasie des Lesers, seine Deutungen zu interpretieren. Seine Bücher weisen deshalb viel Interpretationsraum auf und wer das nicht mag, der wird auch seinen Geschichten nicht viel abgewinnen können. Ich für meinen Teil finde es großartig und liebe die Spekulationen, das eigene Gedankenspiel bei der Lektüre.

Eine besondere Stärke in Gifunes Romanen ist aber auch sein Schreibstil, der atmosphärisch dicht und einnehmend ist. Virtuos spielt der Autor mit Worten, setzt gekonnt Metaphern ein, bleibt dabei aber stets auf dem Punkt. Seine Geschichten liest und genießt man daher am besten Wort für Wort.

"Es ist, als wären alle möglichen Realitäten gegenwärtig und träten in dieser Nacht auf, als würden sie sich im Einklang miteinander vor mir entfalten wie eine Einzige, jede davon gleichzeitig getrennt und verborgen von den reinsten Vorhängen der Dunkelheit."

"Sind sie ein Schaf unter Wölfen?", fragt die Frau plötzlich. "Oder sind Sie ein Wolf unter Schafen?"
Diese Frage bildet den Kern dieser Geschichte, denn wer oder was ist Cam eigentlich? Was ist real und was entspringt seiner Einbildung? Oder ist am Ende doch alles ganz anders als erwartet?
Die Antworten auf diese und andere Fragen sind bei der Lektüre in meinen Augen zwar zielführend, aber der Weg dahin ist der eigentliche Genuss und diesen erlebt man umso intensiver, desto offener man sich auf das Spiel des Autors einlässt.

Fazit

"Bösartig" ist auf psychologischer Ebene auch eine "böse" Lektüre, die durch einen intensiven, atmosphärisch dichten Schreibstil geprägt ist. Wer eine Reise in die Tiefen des Wahnsinns antreten möchte und dabei die Suche nach Antworten geduldig hinten anstellen kann, der wird mit einigen einprägsamen Lesestunden belohnt werden.