Rezension

Lieber liegenlassen?

Auf dass uns vergeben werde - A. M. Homes

Auf dass uns vergeben werde
von A. M. Homes

Bewertet mit 2.5 Sternen

Dieses Buch hat mich recht unentschlossen zurückgelassen. Finde ich es nun gut oder schlecht? Ich bin mir da relativ unsicher. Rein Äußerlich hat es mich sofort angesprochen. Ich finde das - wenn man den Inhalt kennt makabere - Lampen-Cover ganz großartig.

Mein größtes Problem ist glaube ich, dass ich einen dramatischen aber klassischen Roman erwartet habe. Nur trifft „klassisch“ auf diesen Roman so wenig zu wie „sonnig“ auf den Sommer 2016. Sehr viel von dem was im Roman passiert, ist bis ins unrealistische überzeichnet. Alles scheint möglich. Bei der Überlegung Glaubwürdigkeit versus coole Idee hat definitiv immer die Idee gewonnen. Wer nicht ein bisschen offen für abgefahrene Wendungen ist, sollte das Buch lieber liegen lassen.

Homes geizt nicht mit seltsamen Ausflügen ins Sexualleben ihrer Charaktere. Auch gab es diverse unappetitliche Infos über Verdauung und Damenhygiene, auf die ich gut hätte verzichten können. Wer nicht ein bisschen offen für Fäkalhumor ist, sollte das Buch lieber liegenlassen.

Schwergetan habe ich mich mit Ich-Erzähler und Hauptcharakter Harold. Er ist kein wirklicher Sympathieträger, da er viele Macken und vor allem so ein schlechtes Bild von sich selbst hat. Zwar macht er insgesamt eine positive Entwicklung durch, aber ich hätte mir mehr Offensive von ihm gewünscht. Ein „über sich hinauswachsen“ wie der Rückentext verspricht hätte ich mir anders vorgestellt. Mit weniger Hinnehmen, mit weniger Zwangsläufigkeit. Anstrengend fand ich vor allem seine Passivität. Alles scheint ihm nur zu passieren. Im Guten wie im Schlechten.

Der Roman ist vollgepackt mit Ideen. Über Langeweile kann man sich wirklich nicht beklagen. Es gibt tragische, witzige, spannende und traurige Passagen und eine schöne Entwicklung der Charaktere. Homes schlägt mit dem Ende einen gelungenen Bogen zum Anfang des Romans aber zwischen diesen beiden Punkten gab es für mich zu viele Störfaktoren. Die sexuellen Eskapaden, Harrys Passivität und viel übertriebene Nebenhandlung. Bei der ganzen Effekthascherei bleiben die Gefühle der eigentlich sehr emotionalen Geschichte leider auf der Strecke. Auch eine Konsum- oder Gesellschaftskritik konnte ich nicht wirklich herauslesen.

Wer also mal eine Familientragödie auf ganz unkonventionelle Weise erleben will und wer nebenbei keine Angst vor Übertreibung und ein bisschen „Pupshumor“ hat, ist mit diesem Roman sicher gut bedient. Wer eher eine geringe Ekeltoleranz und einen festen Sinn für Realität hat, sollte das Buch lieber liegenlassen...

Kommentare

wandagreen kommentierte am 18. August 2016 um 23:46

Liegenlassen, definitiv. Danke Minzi.

katzenminze kommentierte am 20. August 2016 um 17:15

Hab ich mir gedacht. ;) Aber ich wäre sehr gespannt auf eine Rezi von dir dazu.

Naibenak kommentierte am 19. August 2016 um 09:22

Vielen Dank, liebe Minzi! Endlich liest du mal ein Buch, das nicht automatisch auf meine WuLi wandert ;D Ich gehöre auch eher zur Gruppe "lieber liegeblassen" ;)

katzenminze kommentierte am 20. August 2016 um 18:28

Hehe, aber mit dem nächsten krieg ich  dich vielleicht. ;)