Rezension

Liebeserklärung an die Musik und an Außenseiter

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie - Rachel Joyce

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
von Rachel Joyce

„Es war einmal ein Plattenladen“ (S 9) und zwar ein ganz besonderer. In einer runtergekommenen Sackgasse in einer versteckten Gegend der Stadt wirkt er wie ein letztes Aufbäumen gegen die Modernisierung, gegen den Kommerz. Der Besitzer, Frank, liebt Musik über alles und hat außerdem ein unglaubliches Wissen über beinahe alle Musikstile. Er besitzt ein besonderes Talent: Er kann erkennen, welche Musik, welches Lied seine Kunden brauchen, unabhängig davon, was sie selbst zu mögen oder zu glauben meinen. Er kann in jedem eine kleine Melodie hören. Als eine Frau im grünen Mantel vor seinem Laden auftaucht, bei der er nichts als Stille hört, ist er fasziniert von ihr und den Rätseln, die sie umgeben.

Rachel Joyce hat mit diesem Roman ein Buch wie ein Lied geschaffen, ein Buch voller versteckter Poesie. Sie zeichnet wunderbare, verschrobene und skurrile Charaktere, die man sofort liebgewinnt, gerade weil jeder seine Eigenheiten hat. Da ist Maud, die mürrische Tattookünstlerin, die oft wie eine Überlebende wirkt, Pater Anthony, der ehemalige Priester, der lange Zeit mit einem Alkoholproblem und vielleicht auch mit Lebensüberdruss zu kämpfen hatte und Kit, die unbeholfene Aushilfe, der verzweifelt auf der Suche nach seinem Platz im Leben ist. Frank selber ist ein sehr guter Zuhörer, der seinen Freunden und seinen Kunden das Gefühl gibt, dass er ihre Probleme ernst nimmt und sie versteht. Er ist Idealist, etwas rückständig und weigert sich standhaft, Veränderungen in sein Leben zu lassen. Er hat außerdem Probleme, sich ganz auf jemanden einzulassen. Die Gründe dafür lernt der Leser aus Rückblenden, die in unregelmäßigen Abständen in den Lesefluss eingestreut werden. An diesen Rückblenden haben mir besonders die Geschichten über Musik und Musiker gefallen, über die Besonderheiten einzelner Musikstücke und das Gefühl dafür.

Alle Charaktere wirken irgendwie etwas aus der Zeit gefallen, aber auch wie jemand, den man aus einem anderen Leben kennt. Die Grundstimmung ist eher melancholisch geprägt manchmal durchwebt mit einem Früher-war-alles-besser-Gefühl. Aber immer steht auch die Musik im Mittelpunkt, die Liebe zur Musik und das Gefühl und die Stimmung die sie hervorrufen kann. Dabei ist es ganz egal ob Klassik oder Rock, jedes Stück findet seinen Platz und selten hat es ein Buch geschafft, dass ich mich mehr mit der Musik beschäftigt habe. Manchmal musste ich das Lesen unterbrechen, habe mir dann genau das Stück anhören, über das gerade geschrieben war und habe mit der Frau im grünen Mantel nach der Stille zwischen den Noten gesucht. Das Buch hat es geschafft, dass ich mich nach lange nicht mehr gehörten Liedern gesehnt habe, nach Liedern, die mit besonderen Erinnerungen verknüpft sind (oft an richtig gute oder richtig schlechte Zeiten ;)) und nach Geborgenheit und Gemeinschaft.

Die Liebesgeschichte zwischen Frank und der Frau im grünen Mantel konnte mich aber leider nicht packen. Den Musikunterricht fand ich noch ganz gut, aber auf emotionaler Ebene fehlte es für meinen Geschmack die Überzeugungskraft, die Energie zwischen den beiden.

Das Ende wirkt überstürzt und fehl am Platz. Für ein so melancholisches Buch hätte ich mir ein Ende gewünscht, das nicht dem typischen Happy-End entspricht, kein „und wenn sie nicht gestorben sind…“.

Der Roman ist eine Liebeserklärung an die Musik und an Außenseiter. Die ruhigen Töne, die Melancholie und die wenig ereignisreiche Geschichte lassen den Roman leise vor sich hinplätschern und machen es zu einem Wohlfühlbuch, auch wenn die Liebesgeschichte unpassend und zu gewollt wirkt.