Rezension

Liebesgeschichte mit leisen Tönen

Anne Elliot - Jane Austen

Anne Elliot
von Jane Austen

Bewertet mit 5 Sternen

"Ein winziges Stück - zwei Zoll - Elfenbein, auf dem ich mit so feinem Pinsel male, dass nach zäher Arbeit ein wenig Wirkung sichtbar wird." (Jane Austen über ihre schriftstellerische Arbeit)

Anne Elliot ist schon 27 Jahre alt, und das heißt für eine Frau am Anfang des 19. Jahrhunderts, dass sie wohl kaum noch Chancen auf eine Ehe hat - zumal ihr Vater, ein eitler Baronet, zwar viele Standesdünkel, aber auch ebenso viele Schulden hat. Dabei hatte die stille, feinfühlige Anne durchaus Verehrer: Als sie 19 Jahre alt war, verliebte sie sich in den jungen Marineoffizier Wenworth, und ihre Liebe wurde stürmisch erwidert. Aber ein namen- und mittelloser Offizier ist dem Vater nicht gut genug, und die Freundin, die Mutterstelle an Anne vertritt, rät ihr ab und empfiehlt, auf passendere Bewerber zu warten. Doch diese stellen sich nicht ein; ein junger, gerade noch akzeptabler Gutsherr erhält von Anne einen Korb und heiratet ihre jüngere Schwester.

So lebt Anne als Mauerblümchen in ihrer Familie: Der Vater sieht in seiner Selbstbezogenheit nur sich und bevorzugt die ältere Schwester, während Anne benachteiligt und unbeachtet im Stillen wirkt. Als der Vater den Familiensitz vermieten muss, ziehen sie in den Kurort Bath; Anne soll einige Wochen bei der Familie der jüngeren Schwester verbringen und später nachkommen. Der Mieter des Hauses ist Admiral Croft, und seine Frau ist eine Schwester von Wentworth. Dieser hat inzwischen Karriere gemacht, ist Kapitän und hat durch das Kapern feindlicher Schiffe viele Reichtümer gesammelt. Die ehemals Liebenden treffen sich wieder, diesmal unter umgekehrten Vorzeichen. Anne gesteht sich ein, dass sie Wentworth immer noch liebt, aber der macht inzwischen den jungen Schwestern ihres Schwagers den Hof.

Natürlich geht in einem Roman von Jane Austen die Geschichte gut aus, und das Paar, das so gut zueinander passt, findet sich am Ende doch. Aber wie das beschrieben wird! Die psychologisch geschulte genaue Selbstbeobachtung von Anne, die kleinen Hinweise im Verhalten von Wentworth, die zart angedeuteten Gefühle wie stille Resignation, aufkeimende Hoffnung, Enttäuschung, Zweifel und der Widerspruch zwischen Pflicht und Neigung werden meisterlich geschildert. Hier gibt es keine dramatische Handlung; die heftigste Aktion ist ein Treppensturz aus Übermut mit nachfolgender Gehirnerschütterung. Der Stil des Buches ist die heitere Ironie, die Jane Austen so auszeichnet; mit köstlichem Humor zeichnet sie lebensechte Gestalten wie den eingebildeten Sir Elliot oder die um Beachtung ringende jüngste Schwester.

Erste Entwürfe zu diesem Buch entstanden vermutlich früh; Jane Austen hat das Buch in ihrem vorletzten Lebensjahr überarbeitet. Herausgegeben wurde es nach ihrem Tod unter dem Titel "Persuasion" und ist im Deutschen unter den Titeln "Überredung", "Die Kunst der Überredung" und "Anne Elliot" erschienen.

Wer die leisen Töne liebt, wird dieses Buch genießen.