Rezension

Liebevoll gestaltete Familienchronik

Liebe schaut weg - Line Hoven

Liebe schaut weg
von Line Hoven

Bewertet mit 4 Sternen

Beim ersten durchblättern dieser Graphic Novel dachte ich nur: Woooow, wie schön! Ich glaube, das lag vor allem an den ungewohnt schwarzen Seiten. Auf diesem Untergrund kommen Line Hovens aus Schabkarton gekratzte Bilder toll zur Geltung. Allein diese Technik ist eine Leistung: In schwarzen Karton wird alles was weiß sein soll eingeritzt. Man sieht also jede Linie, der Karton verzeiht keinen Fehler. Ich mochte diese Technik und Hoven sind damit wirklich schöne Bilder gelungen!

Am schönsten fand ich die „nachgeschabten“ Familienfotos und Erinnerungsstücke, die immer wieder eingestreut wurden. Wie die Rechnung für eine Waschmaschine aus den 50er Jahren, Eintrittskarten zum Eislaufen oder ein Flugticket. Erinnerungsstücke, die man eben aufhebt, wenn man frisch verliebt ist oder sie ein besonderes Ereignis repräsentieren. Auch die Idee, Fotos von Weihnachten in Deutschland und in Amerika gegenüber zu stellen fand ich schön. Diese besonderen Bilder bekommen im Buch zum Glück ausreichend Raum. Da ist auf einer Doppelseite auch mal nur ein Pass oder ein einzelnes Foto abgebildet. Das lockert die übrige Erzählung auf und wirkt zusammen mit den Seiten aus festerem Karton sehr wertig.

Ich hatte das Gefühl, dass Line Hoven im Laufe der Geschichte Gesichter immer besser gelungen sind. Am Anfang wirken sie etwas platt und leer aber gegen Ende sind ihr richtig schöne, detailreiche Darstellungen gelungen.

Einzig mit der Stroy an sich habe ich ein wenig gehadert. Line Hoven erzählt die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern. Ihre Familie Mütterlicherseits kommt aus Amerika, ihr Vater und seine Eltern sind Deutsche. Hovens Großeltern als Kinder und Jugendliche auf verschiedenen Kontinenten zu erleben war schön. Auch die Geschichte ihrer Eltern, ihr Kennenlernen und ihre Entscheidung auf welchem Kontinent sie leben wollen und können war interessant. Dass die Graphic Novel zweisprachig angelegt ist, fand ich erst überraschend, letztlich aber folgerichtig. (Kleine Warnung an diejenigen, die kein Englisch können! Its half englisch/halb deutsch.) Aber das war es eigentlich auch schon an Geschichte. Ok, kurz wird die HJ-Vergangenheit des deutschen Großvaters angedeutet. Kurz erwähnt, dass der amerikanische Großvater für die Soldatenkarriere glücklicherweise untauglich war aber sonst gibt es nur drei relativ unkomplizierte Liebesgeschichten. Das konnte ich in keinen Bezug zum Titel setzen, der doch ein wenig mehr nach Drama, Konflikt und Romantik klingt.

Insgesamt ist Liebe schaut weg eine hübsche und technisch klasse umgesetzte Graphic Novel, von der ich mir inhaltlich allerdings mehr erwartet hätte. Dennoch gefällt mir die Idee der außergewöhnlichen Familienchronik sehr gut und ich werde diese Novel sicher noch des öfteren durchblättern.