Rezension

Liebevoller Roman mit Taschentuch-Alarm

Schnucken gucken - Andrea Hackenberg

Schnucken gucken
von Andrea Hackenberg

Sie stand immer auf der Seite der Schwachen und Entrechteten. Jetzt steht sie knietief im Dispo: Billi Sander, Umweltaktivistin und frisch gefeuerte Enthüllungsreporterin, landet da, wo sie nie wieder hinwollte: zu Hause in der Heide. Um wieder zu Geld zu kommen, heuert Billi im Feuilleton der Lokalzeitung an. Unter Laienschauspielern, Freizeit-van Goghs und korrupten Landespolitikern stellt sie schließlich fest: Die Heide ist tatsächlich eine Kulturlandschaft. Und ihr Exfreund sieht besser aus, als sie ihn in Erinnerung hatte …

Inhalt:
Billi Sander ist in den Dreißigern, geht auf die 40 zu. Sie ist Landeshauptstadtjournalistin mit Leib und Seele, die sich mit einer ihrer vielen undurchdachten Aktionen aus ihrem heißgeliebten Job katapultiert. Und ehe sie sich versieht, befindet sie sich in ihrem Provinzkaff bei Mama. Billi hat ein großes Herz und ein noch viel größeres Loch im Geldbeutel. Dieses gilt es zu füllen, mit allen Mitteln. Zur Not auch in einer Provinzredaktion. Wenn nur Manolo nicht wäre. Ihr Techtelmechtel von vor 20 Jahren sieht nämlich immer noch zum Anbeißen aus.

Meine Meinung:
Ich liebe dieses Buch, bin ihm mit Haut und Haaren verfallen.
Schuld daran sind nicht zuletzt die liebevollen Protagonisten, die (fast) allesamt einen an der Klatsche haben - liebevoll gemeint. Billis Schwester ist Kleptomanin und ihre Mutter meint in ihren 60ern nochmal ihren Frühling erleben zu müssen. Da sind Schwierigkeiten natürlich vorprogrammiert. 

Das malerische Örtchen Grümmstein ist das Provinzkaff schlechthin. Nix los, keine Abenteuer, nix für Billi. Gut nachvollziehbar, dass es die Enthüllungsjournalistin in die Großstadt getrieben hat. Viele Lacher und Schmunzler später stellt man erstaunt fest, dass man wohl an Billis Stelle ganz genauso gehandelt hätte.
Man hofft und leidet mit Billi, und als sie sich dann dazu durchringt, ihrem verflossenen Lover ein unwiderstehliches Angebot zu unterbreiten ... ja, da sind bei mir die Dämme gebrochen. Wie verzweifelt muss man mit Ende 30 sein, um eine solche Aktion zu starten? Aber sie ist mutig, das muss man ihr lassen. Sie umschifft u. a. auch diese brenzlige Situation mit Bravour und man muss ihr wirklich Respekt dafür zollen.

Gegen Ende heißt es auch in diesem Buch "TaTu-Alarm!!!" (TaTu = Taschentuch) - es ist schön zu sehen, dass man mit knapp 40 genauso Flugzeuge, Schmetterlinge, etc. im Bauch haben kann wie mit 16 :) Billi zeigt uns wie's geht. Mit viel Herz, dafür ohne "Hirn" und Verstand katapultiert sie sich in die verzwicktesten Situationen, die zuerst mal ziemlich ausweglos scheinen. Doch Billi hat die Rechnung ohne Antonia (ihre Mutter) und den Rest der Familie gemacht.
So wird in dem Buch heiter betrogen, belogen, manipuliert, vertuscht, gepfuscht, gelästert, ... und es macht einem als Leser irre viel Spaß, dabei seinen "Voyeurismus" ausleben zu können.

Andrea Hackenberg schafft es von Anfang an eine Spannung (wenn es denn sowas in einer Schmonzette überhaupt gibt) aufzubauen, die es einem schwer macht, das Buch auch nur für wenige Minuten aus der Hand zu legen.

Mein Lieblingssatz aus diesem Buch:
"Wo auch immer du heute Abend hingehst. Ich will, dass du mich mitnimmst."
Und wo auch ihr immer heute oder morgen oder übermorgen Abend hingeht: ihr werdet dieses Buch mitnehmen!

Fazit: unbedingt lesen!