Rezension

Lieblingsautor und trotzdem überrascht wie gut es war!

Cyril Avery
von John Boyne

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung: 
John Boyne hat das Buch John Irving gewidmet und lies Cyril "Garp" lesen, nicht die einzige Homage. Ich fand mich ausserdem vor allem in den Dialogen an Oscar Wilde erinnert. Wer einen John Boyne in die Hand nimmt, weiss meistens was ihn erwartet: Cineastische Szene die man so schnell nicht mehr vergisst, Die ein oder andere homosexuelle Figur, Hass gegen Pfarrer. Alles auch hier vertreten. Ich bin seit Jahren begeisterter Boyne Anhänger und habe bisher jedes Buch gelesen, dennoch hat mich dieser Titel überrascht. Zum einen weil er beinahe jede vorkommende Figur homosexuelle Neigungen hat haben lassen, zum anderen weil ich nicht soviel Humor erwartet hatte. Dialoge und Beobachtungen die mich fortwährend an Oscar Wilde erinnert haben, bis selbst eine der Hauptfiguren eine Andeutung an ihn macht. Boyne bereichert die tragische Geschichte mit spritzigen und originellem Austausch, die mich selbst gegen Ende des Buches immer noch überraschen konnten. 
Seine Hassliebe zu Irland wird vor allem zu Beginn deutlich. Geht Boyne rigoros gegen die irische Regierung, lässt er den kleinen einzelnen umso heller strahlen. Das Buch lebt durch die vielen Protagonisten die herausstechen indem sie sich nicht vom Getriebe des grossen Zahnrads haben zermalmen lassen sondern sich immer noch auflehnen. Frauen die sich wehren und ihre Meinung kundtun, kleine Akte der Rebellion in einer unterdrückenden Zeit. Ärzte die gegen jeden für das richtige Kämpfen. Kleine Silberstreifen am Horizont die geholfen haben Irland zu dem zu machen was es heute ist, und so die homosexuelle Ehe 2015 legalisieren konnten. 
Das Buch ist voll mit lauter kleinen Zufällen, Wege die sich kreuzen. Fans von Vorhersehung werden hier ihre helle Freude haben. Alles hat einen Grund, eine Aussage die auch beruhigt. Cyril musste dies und das erleben um zu landen wo er hingehört. Aber auch die Wiederholung der Geschichte gehört dazu. Wie das Leben halt so ist. Von Cyrils Lebensabschnitten gefiel mir den in Amsterdam spielende Strang am wenigstens. Irgendwie lieblos, vielleicht auch wegen der Kürze, kam er daher. Vor allem die Gefühle kamen mir zu Kurz. Von den witzigen Dialogen seiner Kindheit ist hier auch nichts mehr vorhanden. Sollten dies eine irische Eigenschaft darstellen? 
Einzige Kritikpunkte: Die Aktualität der Gesprächsthemen. Boyne setzt das Buch in die Vergangenheit, will Geschichte aufarbeiten und platziert dabei doch immer wieder Gespräche über feminismus, Sexismus, die berühmte Casting Couch, etc... Was mich wundern lässt wieso einen historischen Roman schreiben um seine Meinung kund zu tun, zu Meinungen die aktuell zwar besprochen werden, die endlich als Licht kommen und einen Wandel mit sich bringen auf den lange gewartet wurde, ich mir aber nicht in einem Gespräch von 1968 in Irland vorstellen kann. 
Desweiteren fand ich es Schade dass Boyne vor Gefühlen wegläuft. Sobald die Handlung eine dramatische Wandlung durchging, welche grosse Gefühlsausbrüche beinhaltet hätte, macht er einen Zeitsprung. Kaum ist der Leser darauf eingestellt etwas zu empfinden, wird er hängen gelassen. Es werden einfach mal 7 jahre vorgespult damit der Leser wieder einen gefassten Cyril vor sich hat. Dies lässt die Figur Cyril steif und hart wirken. Wenn man dann doch mal einen Gefühlsausbruch miterlebt ist man so überrumpelt, dass man es ihm kaum abkäuft. 

“Do you enjoy being a writer, Mrs Avery?” asked Julian.
“No, of course not, she said. “It’s a hideous profession. Entered into by narcissists who think their pathetic little imaginations will be of interest to people they’ve never met.”