Rezension

Lieblingsbuch für die Schatzkiste

Der letzte Sommer - Helen Simonson

Der letzte Sommer
von Helen Simonson

Bewertet mit 5 Sternen

Helen Simonson - Der letzter Sommer - Dumont

Rye/East Sussex
Exkursionen, literarische Buchhaltung und Ausgrabungen, Reisen in Länder, wo Latein noch lebendig scheint. Das war das Leben von Beatrice Nash, bevor ihr Vater starb, den sie immer und überall begleitet hat. Sie ist überrascht, als sie erfährt, das ihr Erbe ein Treuhandvermögen ist, das ihre geizige Tante Marbely verwaltet. Sie hat keinerlei Verständnis, für junge Damen, die nicht heiraten wollen und ein gewisses Maß an Eigensinn an den Tag legen. Davon hat Beatrice jede Menge und der 23jährige Blaustrumpf marschiert schon zügig in die Ecke der alten Jungfern.
Wie das Glück es so will, wird ihr eine Stelle als Lateinlehrerin in Aussicht gestellt.
Beatrice nimmt den Fehdehandschuh des "Althergebrachten" auf und will sich selbst ernähren, sie zieht in ein kleines Cottage in Rye/Sussex.

Agatha Kent ist eine Frau mit Herz und Verstand und ist eine diplomatische Förderin des Fortschritts und nachdem der letzte Lateinlehrer sang und klanglos das Weite suchte, boxt Agatha, die im Vorstand der Schule beisitzt, diese Stelle für eine Frau frei.
Das Beatrice jung und hübsch ist, sorgt für Überraschung. Auch Hugh und Daniel, die beiden Neffen nehmen dies zur Kenntnis. Hugh will einmal ein großer Chirurg werden und Daniel ein nicht minder kleinerer Dichter. Die in Freundschaft verbundenen Cousins sind sehr verschieden, aber die Zeit des Krieges, macht alle gleich. Das Schlachtfeld ist wahrlich kein Ort für Ruhm und Ehre, der Schützengraben, keines Dichters Wonne.
Hugh flickt die verwundeten Soldaten zusammen und Daniel sieht sich in der Pflicht, als sein bester Freund stirbt, ein Offizierspatent um in Sicherheit zu sein, lehnt er ab.

Das kleine Städtchen Rye macht mobil. Flüchtlingsunterkünfte und Versehrtenlager, Wohltätigkeit und Barmherzigkeit, tatkräftige und moralische Unterstützung, jeder tut, was er kann. Es ist eine Zeit, in der mehr Todesanzeigen, als Hochzeiten in der Times erscheinen und so mancher Pfarrer sieht über die üblichen Traditionen hinweg.

Der Mikrokosmos der fröhlichen Familie Kent und ihren ungewöhnlichen Freunden, wirkt auf Beatrice, wie eine weiche Wiege, ein Stützpunkt der Seele. Hier liegt ihre Bestimmung.

Eine englische Familiengeschichte zur Zeit des ersten Weltkrieges, wie sie überall in Großbritannien sich abgespielt haben mag. Markierungen des Lebens.
Die Autorin hat das außerwöhnliche Talent, alle Komponenten eines guten Romans zu vereinen. Liebe, Dramatik, Leben, Tod, Witz, Freundschaft und Sinnsuche. Pointiert, ohne Schnörkel und doch anrührend. Das Buch ist wie ein stetig fließender Strom, eine konsequente Spannung, die lediglich von ein paar schönen Umschreibungen untermalt wird, damit man Luft holen kann. Ein großartiges Werk und unbedingte Leseempfehlung, ich bin begeistert.
Bitte mehr davon!  :-*

"Dafür trat ihm das Stätchen Rye vor Augen - die dicht gedrängten Häuser unterhalb der Kirche, die weite grüne Marsch im Abendlicht, im Hintergrund die dunkel ansteigenden Kreidehügel, und ein kleines Cottage in einer steilen Kopfsteinpflasterstraße."

Soldaten im Lazarett:
"Sie sind ein Engel! Der Hässlichste, den ich je gesehen habe! Was?? Sie hat es wohl an den Augen erwischt!"