Rezension

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DEAR AMY - Er wird mich töten, wenn Du mich nicht findest - Helen Callaghan

DEAR AMY - Er wird mich töten, wenn Du mich nicht findest
von Helen Callaghan

Bewertet mit 3 Sternen

"Dear Amy" handelt von der Lehrerin Margot Lewis, die in der Regionalzeitschrift eine Ratgeberkolumne schreibt. In dieser Funktion erhält sie einen Brief von einem Mädchen, das vor fast etwa zwanzig Jahren entführt wurde, deren Leiche jedoch nie gefunden wurde und Margot als Ratgeberin Amy um Hilfe bittet. Ein Graphologe bestätigt, dass die Briefe tatsächlich von dem entführten Mädchen stammen. Aber warum tauchen diese ausgerechnet jetzt auf und hat das ganze vielleicht mit dem Verschwinden von Katie, einer Schülerin von Margot zu tun? Sie wendet sich an die Polizei und begibt sich mit diesem Schritt in die Fänge des Täters...

Die Ausgangslage dieses Thrillers fand ich wirklich vielversprechend. Ein möglicherweise entführtes Mädchen, dazu die Parallelen zu einem Fall, der 20 Jahre zurück liegt und wo plötzlich Briefe auftauchen, die jedoch aktuell sein müssen. Dazu eben kein Ermittlerduo, sondern eine normale Frau, die sich in das Erkennen der Wahrheit hineinhängt. Ich mag einfach Geschichten, die vom Schema F abschweifen.

Dennoch wollte die Spannung nach dem interessanten Prolog nicht so wirklich aufkommen. Das liegt zum einen daran, dass handlungsmäßig wenig passiert und wenn, dann alles im Schneckentempo. Es geht eher darum Margot und ihr Leben darzustellen. Das bringt mich zum zweiten Problem, denn auch Margot wollte nicht so wirklich zu der Protagonistin werden, die einen Thriller leiten kann. Dazu wirkte sie schnell zu ambivalent. Mal die resolute Lehrerin, die mit ihrer liebevollen Strenge den Respekt ihrer Schüler sich hat, mal die betrogene Ehefrau, die sich immer noch von ihrem Ehemann einwicklen lässt, mal die Frau, die dem erstbesten Mann wie ein Teenager hinterher hechelt und keinen klaren Kopf mehr hat und dann wieder jemand, der mit argen Dämonen zu kämpfen hat. Mal bewunderte ich sie, mal verachtete ich sie, mal sah ich Potenzial, um dann wieder die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Dieser Hin und Her und die mangelnde Spannung ließen mich doch arg an dem Prädikat "Premium Crime" zweifeln.

Aber plötzlich gibt es einen Bruch und die Geschichte erhält eine Wendung, die so nicht zu erwarten war. Alles Weitere wäre eine zu großer Spoiler, daher kann ich nur andeuten, dass die Vergangeheit und die Gegenwart mitsamt der Protagonistin raffiniert verknüpft werden. Diese Zusammenhänge erzeugen Spannung und vor allem endlich Empathie mit Margot. Sie kann tatsächlich noch die Heldin werden, die so ein Psychothriller verdient.

Zusätzlich entwickelt die Autorin auch noch abwechslungsreiche Erzähltechniken, so dass die Geschichte letztlich aus verschiedenen Perspektiven und Zeitformen zusammengebracht wird.

Fazit: Der erste Teil war wirklich schwach, den kann ich auch nicht als Vorbereitung für den großen Rest akzeptieren, aber mit der großen erzählerischen Wende wird plötzlich vieles richtig gemacht. Es gibt einige Thrill-Elemente, dazu auch eine hochinteressante psychologische Ebene, so dass sich "Dear Amy" zu einem wahren Pageturner entwickelt. Drei Sterne hierfür und die Empfehlung zuzugreifen und den zähen Anfang durchzuziehen, um letztlich wirklich unterhalten zu werden.