Rezension

Märchen für Erwachsene

Das Schneemädchen - Eowyn Ivey

Das Schneemädchen
von Eowyn Ivey

Bewertet mit 4 Sternen

Alaska in den 1920er Jahren: Das kinderlose Ehepaar Jack und Mabel kämpft nicht nur gegen die Widrigkeiten eines Lebens in der Wildnis sondern auch gegen das zunehmende Schweigen und die Distanz zwischen ihnen selbst. Dass ihr einziger Sohn tot geboren wurde und sie Jack danach kein Kind mehr schenken konnte bekümmert Mabel sehr. Um vor den vorwurfsvollen Blicken der Verwandtschaft zu flüchten, überredete sie Jack einst zum Auswandern nach Alaska. Nun bemüht er sich der Wildnis ein Stück bewirtschaftbares Land abzutrotzen während sie immer mehr in der Blockhütte vereinsamt.

Als der erste Schnee fällt, bauen Jack und Mabel in einem Moment der Übermut ein Mädchen aus Schnee. Mabel zieht ihm rote Fäustlinge und einen roten Schal um. Am nächsten Morgen bemerkt Jack zwischen den Bäumen ein kleines Mädchen mit blondem Haar, rotem Schal und Fäustlingen. Das Schneemädchen Faina und die Freundschaft mit der Familie Benson schaffen es, Jack und Mabel aus ihrer Isolation zu holen.

Doch was wird geschehen, wenn der Schnee schmilzt und der Winter vorbei ist? Wird Faina mit ihm fort sein?

Autorin Eowyn Ivey hat sich für ihren ersten Roman von einem russischen Märchen inspirieren lassen und bindet die Geschichte von Schneemädchen Faina sehr geschickt in die Wildnis Alaskas und das harte Leben der Siedler dort ein. Sehr berührend und authentisch schildert sie die Gefühle und Gedanken des vereinsamten Ehepaars Jack und Mabel, die ein Leben miteinander führen wollten und sich nun sehr voneinander entfremdet haben. Wie die beiden wieder zueinander finden, hat mich am meisten berührt und war für mich das zentrale Thema des Buchs.

Auch nach dem Ende des Buches ist einem nicht klar, was Faina wirklich ist: einfach ein Kind der Wildnis oder eine märchenhaftes, zauberhaftes Wesen.
Mit diesem Mysterium spielt die Autorin geschickt und lässt Faina für Jack und Mabel sowie für den Leser mal verzaubert, mal menschlich wirken. Dieser Aspekt verleiht dem Buch etwas Märchenhaftes und macht es zu einem schönen Schmöker für Winterabende, wenn der Schnee und Wind Alaskas zum Greifen nah wird.

Eowyn Ivey hat auch das Leben in ihrer Heimat Alaska in den Vordergrund gerückt und treffend und ungeschönt beschrieben. Neben der mühsamen Feldarbeit sind Jack und die Bensons aufs Fallenstellen und Jagen angewiesen. Dies ist mir klar und das akzeptiere ich auch, doch in jedem Kapitel ist vom Töten von Tieren die Rede und das war mir zu viel. Vor allem, wenn ein Tier geschossen wurde und dann liegen gelassen, weil das Fell doch nicht so schön war wie vermutet oder das Tier alt. Das entspricht nicht meinem Ethos und ich möchte auch nicht permanent darüber lesen.
Leider beschert das dem „Schneemädchen“ in meinen Augen einen Stern Abzug.