Rezension

Märchenhaft, düster und faszinierend – ein Schatz, der aus der Masse hervorsticht

Erlkönig-Saga - Wintersong
von S. Jae-Jones

Bewertet mit 5 Sternen

„Wintersong“ von S. Jae Jones war mir schon in der englischen Ausgabe ins Auge gefallen. Umso größer war meine Freude, als die deutsche Übersetzung vom Piper Verlag angekündigt wurde. Ich liebe düstere Märchen und der Klappentext hatte mich auf Anhieb angesprochen. Das Buch ist zwar ganz anders als erwartet, konnte mich aber trotzdem begeistern. Die Atmosphäre der Geschichte ist durchgängig düster und bedrückend. Ich würde das Buch als eine Mischung aus Drama und Märchen mit einem Hauch einer Liebesgeschichte bezeichnen. Viele Passagen stimmen den Leser nachdenklich und hinterlassen einen bedrückenden Nachgeschmack, aber gerade diese Andersartigkeit hat mich fasziniert. Zudem spielt klassische Musik eine zentrale Rolle. Der Titel „Wintersong“ weist ja schon darauf hin, aber man sollte nicht unterschätzen, wie viel Raum die Musik in diesem Buch einnimmt. Für manche Leser mag das etwas zu viel sein. Für mich persönlich war es perfekt und ich habe das Buch innerhalb kürzester Zeit verschlungen.

Wenn das alte Jahr endet, wandelt der Erlkönig auf der Erde, um sich eine Braut zu suchen. Denn nur die Lebensenergie einer Sterblichen kann die Unterwelt nähren und dem Erlkönig die Kraft geben, den Winter zu vertreiben. Liesl wächst mit den alten Legenden über den Erlkönig auf, doch niemals hätte sie gedacht, dass sie ihn eines Tages selber treffen würde. Es heißt, der Erlkönig trifft seine Wahl nur unter den schönsten Frauen und ausgerechnet Liesls Schwester erregt seine Aufmerksamkeit. Als der Erlkönig sie entführt, gibt es nur einen Ausweg: Liesl muss den Weg in die Unterwelt finden und den Erlkönig anstelle ihrer Schwester heiraten.  Doch um ihre Schwester zu retten, müsste Liesl alles aufgeben und mit ihrem eigenen Leben bezahlen.

 

„Wintersong“ ist der erste Band einer Dilogie von S. Jae Jones. Die Geschichte rund um den Erlkönig spielt in einem kleinen Dorf in Bayern. Der Einstieg in das Buch ist mir dank des angenehmen Schreibstils sehr leicht gefallen. Da ich Märchen liebe, war ich vor dem Lesen schon Feuer und Flamme für das Buch. Gerade die ungewöhnliche Umsetzung konnte bei mir punkten, wodurch das Buch auch lange im Kopf bleibt. Liesl ist alles andere als eine perfekte Protagonistin ist. Für ihre Familie opfert sie sich komplett auf und man könnte meinen, dass sie ein völlig selbstloser Mensch mit einem reinen Herzen ist. Doch unter ihrer Oberfläche brodelt es und in der Unterwelt zeigt sie recht schnell ein anderes Gesicht. Zwar bleibt sie vom Kern her ein sympathisches Mädchen mit einem großen Herzen, doch ab und an bricht alles aus ihr hinaus. Ein oder zwei Szenen haben mich besonders nachdenklich gemacht, da Liesl recht grausam handelt und man damit einfach nicht gerechnet hatte. Manche Dinge scheinen auf den ersten Blick keinen Sinn zu ergeben. So liebt sie ihre Schwester zum Beispiel von ganzem Herzen und würde alles für sie tun, doch bei der Suche lässt Liesl sich wochenlang Zeit. Zeit, in der ihre Schwester sterben könnte. Nach und nach setzen sich aber alle Puzzleteile zusammen und man kann Liesls Handeln besser nachvollziehen. Insgesamt ist die Geschichte sehr traurig. Man kann die Einsamkeit und die Verzweiflung von Liesl beim Lesen richtig mitfühlen. Das Erzähltempo ist vorwiegend sehr ruhig. Der Fokus der Geschichte liegt weniger auf actionreichen und spannenden Szenen, sondern mehr auf den Emotionen. Liebe, Einsamkeit und Angst begleiten den Leser fortwährend. Das Buch ist insgesamt unglaublich atmosphärisch und zieht den Leser dadurch tief ins Geschehen. Ich liebe die düstere Atmosphäre und die vielen kleinen Details, die den Leser zum Nachdenken bringen. Man muss sich aber darauf einlassen können, dass das Buch hauptsächlich von Emotionen lebt und beim Lesen eine gewisse Schwermütigkeit entsteht. Ansonsten könnte man die Geschichte als langatmig empfinden. Zum Ende hin wird es temporeicher und spannender. Ehrlich gesagt wusste ich vor dem Lesen nicht, dass es sich um eine Dilogie handelt und war vom Ende etwas überrascht. Es bleiben viele Fragen offen, die sich aber hoffentlich im zweiten Band klären. „Wintersong“ ist insgesamt recht speziell und mit Sicherheit ein Buch, an dem sich die Geister scheiden werden. Ich persönlich bin von diesem ungewöhnlich umgesetzten Buch absolut begeistert und freue mich schon auf den zweiten Band.

 

Fazit: Märchenhaft, düster und faszinierend: „Wintersong“ von S. Jae Jones ist ein sehr spezielles Jugendbuch, das die Geister scheiden wird. Für mich persönlich ist der erste Band der Dilogie ein richtiges Highlight. Das Buch ist unglaublich atmosphärisch und düster. Die Geschichte lebt weniger von der Handlung, sondern mehr von den Emotionen, die beim Lesen entstehen. Wer auf der Suche nach etwas Besonderen ist und es gerne düster mag, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.