Rezension

Märchenhaft und unaufgeregt

Das Geheimnis der Eulerschen Formel - Yoko Ogawa

Das Geheimnis der Eulerschen Formel
von Yoko Ogawa

Bewertet mit 5 Sternen

Ein brillanter Mathematikprofessor lebt zurückgezogen im Gartenhaus seiner Schwägerin, allein und nur in seiner mathematischen Welt. Der Grund: seit einem Verkehrsunfall im Jahr 1975 lebt er in dieser Zeit, denn sein Kurzzeitgedächtnis währt nur 80 Minuten. Um etwas zu erinnern, benutzt er kleine Notizzettel, die er sich an seinen Anzug klebt.
Die Haushälterinnen kommen und gehen und immer wenn der Professor jemanden kennen lernen muss, flüchtet er in die Welt der Zahlen. Als er seine neue Haushälterin kennen lernt, fragt er sie nach Schuhgröße und Telefonnummer, diese Zahlen bilden den Einstieg in ein Gespräch über die Schönheit von Zahlen. Die beiden gewöhnen sich aneinander und als der Professor erfährt, dass seine Haushälterin einen zehnjährigen Sohn hat, der nach der Schule und während sie arbeitet, allein zu Hause ist, fordert er sie auf den Jungen in das Gartenhaus zu holen. Dann beginnt sich zwischen den Dreien eine besondere Beziehung zu entwickeln.

Der Roman beschreibt auf stille und märchenhafte Weise das Leben der Drei, ihre Versuche mit dem Problem des Professors umzugehen und voll gegenseitiger Rücksichtnahme Zeit miteinander zu verbringen. Die Haushälterin kommt ihren Pflichten nach, aber gleichzeitig lernt sie viel über Zahlen und Mathematik. Der Professor löst mathematische Rätsel aus speziellen Zeitschriften und ist während dieser Zeiten nicht ansprechbar. Hat er die Lösung gefunden, nimmt er sich Zeit und beginnt Gespräche mit dem Sohn und der Haushälterin.
Es ist ein unaufgeregtes Leben, ein ruhiges Gleiten, nur im Hintergrund, wie ein Schatten, die Schwägerin des Professors.
Der Stil der Autorin ist so, wie ich mir das alte Japan vorstelle, ruhig, reduziert aber voller kleiner versteckter Andeutungen. Ich habe das Buch sehr genossen. Meiner Meinung nach muss man sich einlassen und einlassen wollen, dann kann man sich gefangen nehmen lassen und etwas ganz Besonderes erleben.

Fazit: Dieser Roman ist eine poetische Parabel auf die wesentlichen Dinge des Lebens, nicht Geld, nicht Erfolg sondern menschliche Nähe und Wärme, Verständnis für den Anderen und bietet alltägliche Wunder, von denen viele Menschen insgeheim träumen.