Rezension

Magie am seidenen Faden

Children of Blood and Bone - Tomi Adeyemi

Children of Blood and Bone
von Tomi Adeyemi

Bewertet mit 3 Sternen

Magie als natürlicher Bestandteil der Weltordnung – wer träumt nicht davon? Zumindest in literarischen Welten kann ich davon nicht genug bekommen und mich hinweg fantasieren in Dimensionen, in denen es Sprüche für jede Lebenslage, Zauberstäbe, Gedankenmagie und dergleichen gibt. Meistens hat der ganze fiktive Hokuspokus auch einen Haken – ohne Gegner der Magie, Weltmachtjäger und andere Widersacher wird so eine magische Welt schnell langweilig und dann ist man mittendrin in „mal eben die Welt retten auf Leben und Tod.“ Da lasse ich gern anderen den Vortritt und bleibe auf der Couch beim Lesen, das ist sicherer.

Was zu diesen Geschichten um Harry Potter und Co gehört wie die Luft zum Atmen, ist der Glaube an die „Gute Seite“. Unsere literarischen Helden stehen meistens auf der richtigen Seite und verteidigen ihre halbwegs gerechte Welt gegen das Böse, dass immer alles unterjochen will. In Tomi Adeyemis gefeiertem Romandebüt und Auftakt einer neuen Jugendbuchreihe ist die Magie bereits vernichtet worden und alle praktizierenden Magier wurden ihrer Magie beraubt und ermordet. Übrig blieben nur die Kinder der Magier, verfemt und unterjocht, ohne Hoffnung auf eine normale Zukunft, gekennzeichnet als minderwertig geltende Diviné für jeden durch ihre weißen Haare. Eine Unterklasse in der Gesellschaft Orishas. Sie sind wie die junge Zélie traumatisiert von der „Blutnacht“, in der sie mindestens ein Elternteil verloren haben und eingeschüchtert durch den Hass, der ihnen von der übrigen Bevölkerung entgegen gebracht wird. Alles vorangetrieben vom König des Reiches, der auf die Ermordung seiner ersten Familie durch Magier mit einer all umgreifenden Blutfehde antwortete und kein Ende findet. Plötzlich taucht eine alte Schriftrolle auf, die die Magie in den Diviné erwecken kann und Zélie versucht mit ihrem unmagischen Bruder und der ausgebüchsten Prinzessin Amari die Magie für alle zurück zu bringen. Amaris Bruder und ihr Vater wollen dies natürlich um jeden Preis verhindern und die Magie endgültig aus Orisha und der Welt vertreiben.

So ungefähr zur Grundhandlung der Geschichte, die übrigens in einem Land spielt, in der die Menschen alle eine schwarze Hautfarbe haben. Es klingt alles ein wenig nach Afrika, ist aber eine Fantasiewelt mit mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Strukturen und wesentlich exotischer als die britische Magierwelt bei Harry Potter. Es stehen sich zwei Seiten gegenüber: die (vor allem adligen) Nichtmagier, die das Reich beherrschen und die Diviné, die zu Maji werden können, mit ihren Familien, die ausgegrenzt und versklavt werden. Tatsächlich erfährt man während der immerhin 600 Seiten nichts über die Historie des Reiches und den tieferliegenden Grund dieser Fehde, in der es offensichtlich um Macht und Herrschaft geht. Auf beiden Seiten ist so viel Hass und Gewalt, da wäre mir ein wenig Hintergrundgeschichte zum Verständnis sehr willkommen, um diese zerstörerischen Gefühle besser einordnen zu können. Aber die Autorin richtet ihr Augenmerk vor allem auf die Gefühlswelt ihrer jungen Protagonisten. Abwechselnd erzählt sie die Geschichte aus den verschiedenen Perspektiven der jungen Menschen. Eine Erzähltechnik, die aktuell in der Jugendliteratur verstärkt Anwendung findet. Geschickt lässt sich so das Innenleben mehrerer Protagonisten offenlegen, ohne zuviel über die Handlung zu verraten. Natürlich sollte man diese Technik auch beherrschen, um den Leser wirklich zu überzeugen. Tomi Adeyemi hat hier noch eindeutig Nachholbedarf. Ihre jungen Stimmen unterscheiden sich leider nicht unbedingt voneinander und sind sehr flach gestaltet. Das Wesentliche der verschiedenen Charaktere kommt immer mit dem Holzhammer daher. Das ist etwas nervig und wirklich schade, da die Geschichte wirklich Potential hat. Vor allem wenn man die Intention der Autorin am Ende des Buches liest, dass sie Goldener Zorn geschrieben hat als wütende Reaktion auf die Unruhen in den USA, weil immer wieder grundlos farbige Amerikaner von weißen Polizisten erschossen wurden und nach wie vor noch werden. So lese ich die Children of Blood and Bone als Hilferuf, der aufzeigt, was nicht richtig läuft und dem zwar das Ziel (Frieden zwischen den Völkern dieser Erde) klar ist, aber nicht der Weg dorthin. Tomi Adeyemi ist gefangenen in ihrem goldenen Zorn und ich kann nur hoffen, dass ihr in den Folgebänden eine authentische und überzeugende Vision von der Überwindung dieses Zorns gelingt.