Rezension

Man muss ein Gehör für Sarkasmus haben, um sich von diesem Buch unterhalten lassen zu können!

Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer - Burkhard Voß

Kleines Lexikon psychologischer Irrtümer
von Burkhard Voß

| © Janna von www.KeJas-BlogBuch.de |

 Neben Romanen, Krimis & Co., lese ich ebenso besonders gerne Bücher über Psychologie. Ob nun (Auto)biographisch oder solch ein Lexikon wie dieses. Bei diesem Buch ist jedoch zu erwähnen, dass es sich nicht um ein Lexikon im klassischen Sinne handelt. Ernsthaftigkeit bezüglich der verschiedenen psychischen Erkrankungen spielt eine große Rolle in diesem Buch und eben deshalb existiert es.

 Der Autor schreibt bewusst sarkastisch bis polemisch, denn gesellschaftlich geht der neue Trend dahin, einen Termin beim Psychologen ebenso im Terminkalender stehen zu haben, wie den regelmäßigen Friseur-Termin. Das mag nun für den einen oder anderen sehr makaber klingen, erklärt sich jedoch in meiner nun folgenden Buchbesprechung.

 Zitate sind grundlegend als solches offensichtlich gekennzeichnet, innerhalb meines Textes lasse ich auch einzelne Aussagen aus dem Buch mit einfließen – diese sind kursiv dargestellt!

„Angsterkrankungen gehören zum guten Ton“ – wie recht der Autor Burkhard Voß damit hat. Um zunächst den Wind aus den Segeln zu nehmen: es geht nicht um das Anzweifeln solcher Erkrankungen. Jedoch sind „80% der Diagnosen falsch„. Unsere Gesellschaft will alles wissen, braucht einen Namen für Unbekanntes bzw. nicht einordbare Verhaltensweisen – eine Erklärung soll und muss her. Hinzu kommt noch das mehr als umfangreiche Klassifizierungssystem ICD-10, worauf ich mich im späteren Verlauf nochmal genauer beziehen werde.
 Es würden sich an dieser Stelle unzählige Beispiele anbieten, welche aufzeigen wie sehr wir „gewöhnliches mit Bedeutung aufpumpen“ und eben dies hat Burkhard Voß in diesem Buch getan.

 Wie bereits erwähnt überspitzt der Autor viele Erläuterungen. Statt die Erkrankungen selbst detailliert zu beschreiben, geht es vielmehr darum wie schnell der Mensch – google sei Dank – unter anderem auch Ärzte, zu Fehldiagnosen neigen. Hier findet sich mein oben genannter Satz wieder: um das Buch nicht miss zu verstehen, sollte sich der Leser bezüglich dieser Thematik auf Sarkasmus einlassen können!

„Phobien
 Man unterscheidet hier in diverse Arten […]“

Um die Diagnose zu verdeutlichen und seine Aussage zu untermauern, baut der Autor immer kleine Beispiele mit ein. Es geht nicht darum die Erkrankung selbst zu hinterfragen, sondern die vorschnellen und stark verbreiteten Diagnosen. Alles soll und muss definiert und begründet werden. Ich mag mich nun bereits wiederholen, mir ist aber auch sehr bewusst wie schnell ein geschriebenes Wort missverstanden werden kann – somit werdet Ihr immer mal wieder in meiner Rezension lesen, das es nicht um das Vorführen oder Zweifeln an sich geht! Sondern darum, dem heutigen „Zeitgeist die Ohren lang zu ziehen„, wie es der Autor so schön im Vorwort formuliert hat. Was früher – mein Auto, mein Haus, mein Garten – war, entwickelt sich zu einem – mein Job, meine Psychose, mein Therapeut -.
Nehmen wir doch zum Beispiel das allseits bekannte Beispiel „Spinne“. Ja, ich grusel mich wahrhaftig vor diesen Tieren und bin auch gerne vorschnell bei der Aussage „Spinnen-Phobie“, doch ist es das wirklich? Kann ich tagelang den Raum nicht mehr betreten, wenn ich darin dieses Tier entdecke? Atemnot oder Ohnmacht? Andere für eine Phobie klar differenzierte Symptome ausgenommen des Ekels und ggf. einem erschreckendem Ausruf? Nein! Und doch ist die Selbstdiagnose einer solchen Phobie schnell gestellt. Dies ist nur ein kleines und nicht wirklich tragisches Beispiel für eine Selbst- bzw. Fehldiagnose, soll jedoch untermauern wie schnell dies geschieht oder geschehen kann.

 Neben unterschiedlichen Diagnosen und Beispielen, gibt es auch immer mal wieder einen kleinen Exkurs.

„[…] So werden sich dann auch die Aufgaben des Psychiaters wandeln. Musste er früher seine Patienten […] überzeugen, so wird er in den nächsten Jahren […] mehr >>Patienten<< überzeugen, das sie die Diagnose […] eben nicht haben, dass diese und jene Beschwerden zum Leben dazugehören […].“

Hier zeigt sich das ‚kleine‘ Problem der Hobby-Ärzte und Selbstdiagnosen! Und nein, ich nehme mich selbst davon nicht aus – wer hat nicht schon mal Google und Co. befragt?! Aber „das Internet ist eben nicht der Stein der Weisen“ und kann auch schnell einen unangenehmen ‚Stempel‘ mit sich bringen. Was genau ich damit meine, definiere ich im folgendem etwas genauer.

 Zwei weitere gute Beispiele aus dem Buch sind das „ICD-10“ und „Panik„. Besonders beim Klassifizierungssystem (ICD-10) werde ich ein passendes Beispiel aus meinem Beruf einbauen und somit den „unangenehmen Stempel“ etwas erläutern.

 Das Klassifizierungssystem ist ein mehrseitiger Bogen, welcher die verschiedenen Symptome auflistet und diese unterschiedlichen Erkrankungen/Diagnosen zuteilt – um es ganz kurz und knapp zu beschreiben. Da jede Verhaltensweise klassifiziert bzw. zugeordnet werden kann, sind Fehldiagnose nicht auszuschließen. An dieser Stelle überspitze ich die Situation ebenfalls, aber Ritalin ist ein bekanntes ‚Zauberwort‘ und die Diagnose ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) schnell gestellt – Google bietet Selbsttests an, die Symptome werden gesellschaftlich schnell falsch erfasst. Und schnell ist das aufgeweckte und lebhafte Kind ein hyperaktives Kind – da ist er dann auch schnell, der unangenehme ‚Stempel‘! Unruhig, immer in Bewegung, aufbrausend und viel am reden? Da kommen die guten Ratschläge „Ich glaube du solltest mal mit deinem Kind zum Arzt“ oder „Wir befürchten ihr Kind hat ADHS“. Auch wenn ich für meinen Berufsstand kämpfen muss, so kann ich diesen auch sehr gut kritisieren. Denn sobald ein Kind innerhalb der Gruppe auffällig ist, sind einige Kollegen mit solch einer Aussage schnell dabei, anderen Eltern fällt es ggf. und schon macht die Selbstdiagnose ihre Runde. Für Kinder und Erwachsene die wirklich davon betroffen sind, ist eine therapeutische Behandlung viel wert, aber nicht jeder schnell aufbrausende und lebhafter Mensch leidet an solch einer Erkrankung!

 Ich kann nachempfinden, wenn sich ernsthaft erkrankte Menschen vielleicht vorgeführt fühlen könnten, aber umso wichtiger finde ich ein solches Buch. Denn wie schnell verliert eine Diagnose an Bedeutung bzw. Ernsthaftigkeit wenn gefühlt jeder dritte darunter leidet? Nicht jede Angst ist eine Phobie, nicht jede Befindlichkeit eine Psychose.

 Jedoch geht es nicht nur um Fehl- und Selbstdiagnosen, ebenso beschäftigt sich der Autor mit dem Einfluss der Medien.

„Panik
 […] Getreu der alten Journalistenregel >>Bad news are good news<< kann man schon von der Panikindustrie sprechen.“

Dies soll sich nicht verallgemeinert auf die aktuellen Nachrichten und Themen beziehen, aber es gibt jene Nachrichten die gezielt Ereignisse überspitzt darstellen oder mit Halbwahrheiten ‚glänzen‘, um Einschaltquoten/Verkaufszahlen zu sichern. Eine Grundangst wird zur Panik gepusht.

 Der Autor erklärt im Kleinen die verschiedenen Diagnosen, um diese bewusst überzogen mit Beispielen zu verdeutlichen. Sarkasmus darf dem Leser nicht fremd sein, um das Buch richtig einordnen zu können, greifen zu können worum es Burhard Voß darin geht – dies jedoch schildert er aber bereits sehr gelungen im Vorwort.
 Mit meinen Beispielen habe ich mich dem Schreibstil des Autoren angepasst, empfinde diese Form aber auch als eine Geradwanderung – ein geschriebenes Wort kann nicht immer ausführlich weiter erläutert werden und ein Missverstehen ist nicht ausgeschlossen.
 An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir eine klarere Definition gewünscht. Bedingt durch meine Ausbildung habe ich mich intensiv mit dem Ich~Es~Über-Ich auseinandergesetzt und ich habe grundlegend ein großes Interesse an der Psychologie, diese Vorkenntnis bringt jedoch nicht unbedingt jeder Leser mit. Ich glaube aber auch, das eher Leser mit einem gewissen Interesse bezüglich der Thematik zu diesem Buch greifen werden und diesen kann ich es nur empfehlen – unterhaltsam!