Rezension

Man muss schon weit über die Reling schauen ...

Passagier 23
von Sebastian Fitzek

Die Geschichte:
Jährlich verschwinden durchschnittlich 20 Menschen auf Kreuzfahrtschiffen. Nie kehrt einer zurück.
Auch die Familie von Martin Schwartz verschwand spurlos vor ca. 5 Jahren auf der „Sultan of Seas“. Seit dem ist er psychisch am Ende und nimmt die gefährlichsten und irrsinnigsten Ermittlungen an um seinen Schmerz zu betäuben. Eines Tages erhält er jedoch einen Anruf von einer älteren Dame, er müsse sofort an Board der Sultan kommen. Das Schiff, auf dem seine Familie damals verschwand. Ein kleines verschwundenes Mädchen sei wieder aufgetaucht, mit dem Teddy seines Sohnes!

Die Handlung
wird aus der Perspektive von mehreren Personen erzählt. Besonders interessant macht es natürlich die Sicht der Opfer aber auch von Martin Schwartz. Aufgebaut ist die Geschichte mit einem Prolog, 76 Kapiteln, einer Danksagung und dem Epilog.
Der Einstieg an sich fällt recht leicht und beginnt zunächst spannend. Jedoch blieb dieser Spannungsbogen nicht lange aufrecht und die Handlung verläuft zunächst einmal in ruhigeren Gewässern.
Nach und nach lernt der Leser die verschiedenen, wichtigen Personen und ihre Hintergründe kennen, die miteinander verbunden werden.¬¬
Es gibt einige grausame und brutale Szenen, jedoch sind diese sehr gering, wirkten auf mich auch eher wie ein zwischenzeitliches „Einwerfen“ um der Geschichte die vermisste Spannung zu verleihen. Leider kam bei mir auch die gewünschte Spannung erst im letzten Drittel der Geschichte auf.

Die Handlungsumgebung
ist hauptsächlich das Kreuzfahrtschiff „Sultan of Seas“. An sich fand ich diese Idee genial und vor allem auch interessant und war sehr gespannt darauf, wie der Autor seine Geschichte mit dieser Kulisse umsetzt. Leider hatte ich allerdings große Schwierigkeiten, mir die Sultan mit ihren verschiedenen Decks vorzustellen. Ich selbst war noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff und kann mir vorstellen, dass es nicht nur mir so erging. Vielleicht wäre eine ungefähre Skizze des Schiffes am Anfang des Buches ganz nützlich gewesen?
Wie zum Beispiel aufgedruckte Karten im Buchdeckel, wenn es um „ferne Länder“ geht.
So reichte leider meine Vorstellungskraft nicht aus, ich kann auch nicht sagen ob es an zu vielen oder zu wenigen Details lag, es funktionierte einfach nicht.

Die Protagonisten
fand ich an sich sehr interessant wenn auch teilweise etwas klischeebehaftet.
Martin Schwartz schien der typische Ermittler zu sein. Seelisch kaputt durch seine Trauer, begibt er sich ohne Angst in Lebensgefahr um die Geheimnisse seiner Vergangenheit aufzudecken. Dabei setzt er sich zielstrebig über die Bedingungen seines Arbeitgebers weg und wählt auch sonst scheinbar ganz gerne den unkonventionellen Weg.
Auf all die anderen Personen würde ich gerne ebenfalls noch mehr eingehen, würde dann aber vermutlich zu sehr die Handlung spoilern.
Leider erschienen mir diese fast schon zu blass. Gerade im Hinblick des Mädchens hätte ich mir noch etwas mehr Perspektive gewünscht.

Der Schreibstil
ließ sich wieder recht einfach zu lesen und erschien zwischenzeitlich etwas brutal. Es gab einige verschiedene Handlungsstränge, die miteinander verbunden wurden und einige wissenschaftliche Fakten, jedoch erschienen mir die Personen bis auf den Ermittler, etwas zu blass.

Die Gestaltung des Buches
fand ich wieder einmal sehr gelungen. Das Bullauge des Schutzumschlages wurde ausgestanzt und zeigt auf den Buchdeckel des Thrillers, der wiederum mit Meereswellen bedruckt wurde.
Als Leser des Autors ist es man gewöhnt das sich Sebastian Fitzek gerne Rätsel für seine Leser einfallen lässt, die man mit Hilfe der Geschichte lösen kann und auch in diesem Thriller ist ein solches Rätsel vorhanden.
Da ich aber nichts verraten möchte, merke ich nur an, dass man das beigelegte Lesezeichen nach dem Lesen aufmerksam betrachten sollte.
Mir selbst wäre das Rätsel gar nicht aufgefallen, hätte ich es nicht durch Zufall von anderen Lesern erfahren.

Fazit:
Ich war sehr gespannt auf den neuen Thriller und mir war bewusst das die Fantasie von Sebastian Fitzek nur wenige Grenzen kennt. Während mich jedoch seine anderen Romane oft schockieren beziehungsweise gruseln konnten, schaffte es Passagier 23 leider nur sehr selten.
Diesmal fesselte mich die Handlung nicht wie gewünscht und somit wurde dieser Thriller kein Pageturner für mich.
Mir ist klar, dass der Roman eine enorme Seitenzahl beansprucht hätte, wenn der Autor noch mehr auf alle anderen Personen eingegangen wäre, aber vielleicht hätte es der Handlung gut getan, wenn es weniger Personen, dafür aber mehr Hintergrund gegeben hätte.
Trotz all dieser Schwierigkeiten lohnte es sich dennoch dranzubleiben, denn interessant war es allemal und die Neugier reichte aus, nachdem ich akzeptierte, dass man bei dieser Handlung ganz weit über die Reling schauen muss.
Am Ende betrachtet der Leser ein Kreuzfahrtschiff vielleicht aus einer anderen Sichtweise und tauscht die romantische Idylle gegen eine beängstigendere aus?
© Michaela Gutowsky