Rezension

Man muss sich darauf einlassen...

Harry Potter und das verwunschene Kind. Tl.1 u. 2
von Joanne K. Rowling John Tiffany Jack Thorne

Bewertet mit 4 Sternen

Harry Potter ist erwachsen und steht nun am Bahnhof Kings Cross am Gleis 9 3/4 zusammen mit seinen Söhnen James, Albus und der Tochter Lily. Es ist Albus erstes Schuljahr in Hogwarts und alle sind total aufgeregt. Auch Albus. Aber er hat Sorgen. Was ist, wenn er nach Slytherin kommt? Jeder ist sich sicher, dass dies nicht passieren wird. Im Zug lernt er Scorpius kennen. Ausgerechnet den Sohn von Harrys damaligen Feind Draco Malfoy. Wider Erwarten entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Aber das Gerücht geht um, Scorpius sei gar nicht Dracos Sohn, sondern Voldemorts... und so beginnt ein Geschichte voll Dunkelheit, Ängsten und Sorgen. 19 Jahre nach der endgültigen Vernichtung dessen, der nicht genannt werden darf.

Was habe ich mich gefreut, als ich vor langer Zeit erfuhr, dass es einen neuen Harry Potter-Band geben wird. Was habe ich mir Sorgen gemacht, dass er nicht meine Erwartungen erfüllen könnte. Was habe ich mich geweigert, ihn schon im Englischen zu lesen und wie stolz habe ich mich gefühlt, als ich ihn dann endlich ins Deutsche übersetzt in der Hand halten durfte. 

Ich fange zuerst mit der Aufmachung des Buches an, denn dies ist für mich am Einfachsten. Es ist schön, wunderschön. Das Gold strahlt und die Schrift verheißt ein spannendes Abenteuer. Der Klappentext verrät nicht viel, eigentlich gar nichts. 

Doch dann kamen mehr Zweifel. Das Thema Harry Potter wird ja regelrecht ausgeschlachtet. Die ersten sieben Bücher, die Begleitbücher angefangen bei "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind", ein Pop-up-Buch, Filme, die Bücher über die Filme, etliches an Merchandise, ein Theaterstück und jetzt, ganz neu, der ACHTE Band. Eben das Theaterstück. Kann es gut sein? Oder anders: MUSS es gut sein?

Ich überlegte mir sorgfältig, ob ich die Erwartungen einfach ausschalten kann und mich mit einem neuen Blickwinkel auf das Buch einlasse. Es war schwer, aber ich denke, ich habe es geschafft und bin mit neutralem Gefühl an die Geschichte herangegangen.

Meine große Hilfe war dabei, dass es ja keine Geschichte um Harry Potter ist, obwohl er im Titel genannt wird, sondern die Geschichte seines Sohnes, Albus Severus Potter.

Das Buch beginnt 19 Jahre nach der großen Schlacht von Hogwarts. Der Epilog des siebten Bandes wird nochmals wiederholt. Es ist schön, das Wiederlesen mit Harry, Ron, Hermine und Ginny. Und nun auch Albus, Harrys Sohn näher kennenzulernen. Er hat die gleichen Sorgen wie Harry zu Anfang seiner ersten Reise nach Hogwarts. Und man erkennt viele Parallelen zum ersten Buch "Harry Potter und der Stein der Weisen". Der Vater ist eben wie der Sohn.

Oder doch nicht? Es folgt eine Überraschung auf die andere. Albus und Scorpius, Draco Malfoys Sohn, werden beste Freunde und müssen sich so manches gefallen lassen. Denn anders als sein berühmter Vater Harry Potter, ist es Albus nicht gerade gelungen, sich einen Namen in Hogwarts zu machen. Er ist grüblerisch, fühlt sich missverstanden und will eigentlich nur eines: einen anderen Vater. 

Und damit nimmt alles seinen Lauf. Es kommt zu Missverständnisse, Zerwürfnissen und bösen Worten. Und dann taucht Delphi auf, die nur ihrem Onkel Amos Diggory helfen möchte, seinen Sohn Cedric wieder bei sich zu haben (wir erinnern uns, dass Cedric während des Trimagischen Turniers von Voldemort getötet wurde). Und Delphi verdreht Albus den Kopf, was auch nicht gerade einfach für alle Beteiligten ist. 

Das Buch ist aufgebaut, wie das Skript zu einem Theaterstück. Am Anfang einer Szene wird erklärt, wo man sich befindet, danach kommen die einzelnen Dialoge der Mitwirkenden. Gefühlsregungen werden nur selten erklärt. Ich dachte erst: So wird es aber schwer, das Buch zu lesen! Doch ist man nach den ersten Seiten in diesem ungewöhnlichen Konzept drin, ist es gar nicht so schwer. Allein durch die Dialoge weiß man, wie sich die Personen fühlen. 
Einzig die Beschreibung der Umgebung fehlt einem. Aber wenn man die ersten sieben Bücher gelesen hat, weiß man ja, wie es z. B. auf Kings Cross oder in Hogwarts aussieht. 

Die Geschichte ist nicht neu, nichts außergewöhnliches. Und doch sind Wendungen und Überraschungen eingebaut, die einem dann doch an das Buch fesseln. Aber eben aufgrund der ungewöhnlichen Schreibweise auch wieder sehr gewöhnungsbedürftig. 

Ich kann letztendlich gar nicht so richtig sagen, wie das Buch nun auf mich gewirkt hat. Auch wenn ich die Erwartungen weggelassen habe, hat mir dann doch vieles gefehlt. Gerade die Beschreibungen der Orte.

Dafür freut man sich auf ein Wiederlesen mit vielen "alten" Charakteren. Welchen Weg haben sie eingeschlagen? Wie z. B. Neville Longbottom, Minerva McGonagall oder eben Draco Malfoy und Amos Diggory. 

Sehr gut gefallen hat mir Hermine. Mit ihrer forschen Art fällt sie ja schon in den Vorbänden auf, doch diesmal hat sie sich so richtig nicht im Griff. Aber auf gute Art. Und Ron, der mit seinem frechen Mundwerk wieder schön in Fettnäpfchen tritt, im richtigen Moment jedoch auch mit einer sehr cleveren Art Hilfe zu geben weiß. Er und Hermine waren mein Highlight in dem Buch. Die beiden sind einfach ein zuckersüßes Paar.
Während Harry und Ginny eher vernünftig erscheinen und ein "biederes" Leben zu führen scheinen, sind Hermine und Ron diejenigen, bei keinen geregelten Tagesablauf kennen und einfach alles auf sich zukommen lassen. Dies hätte man bei Hermine sicher nicht erwartet.

Gehe ich jetzt weg von den oben genannten Erwartungen, hat mich hier eine schöne Geschichte unterhalten. Allerdings nur für kurze Zeit. Denn aufgrund der Schreibweise ist man relativ schnell mit dem Buch durch. Ich habe versucht, das Lesen herauszuzögern, war jedoch auch nach zwei Tagen (und wenig Zeit zum Lesen) dann doch durch. 

Fazit:
Ich möchte und kann das Buch nicht schlecht bewerten, weil es verglichen zu den ersten sieben Bänden doch eine eigenständige Geschichte rund um Albus Severus Potter.