Rezension

Maria Braig ist es wieder einmal gelungen den Leser zum Nachdenken zu bringen...

Amra und Amir - Abschiebung in eine unbekannte Heimat - Maria Braig

Amra und Amir - Abschiebung in eine unbekannte Heimat
von Maria Braig

Gerade ist Amra 18 geworden. Da sollte sie doch eigentlich mit etwas alltäglicheren Problemen zu kämpfen haben - wie zum Beispiel dem, weshalb sie sich nicht für Jungs zu interessieren scheint. Oder dem, was sie denn wieder einmal auf der Lehrstelle in der Werkstatt verbockt haben könnte. Doch in Amras Leben ist nichts wirklich alltäglich: Ihre Eltern flüchten noch vor ihrer Geburt aus dem Kosovo. Amras Mutter, die sie Ma-am nennt, wird seitdem von den schrecklichen Erinnerungen des Krieges verfolgt. Ihr Vater stirbt, als sie noch klein ist. Seitdem ist es Amra, die sich so gut wie möglich um Ma-am kümmert. Ihre eigene Stütze ist ihre beste Freundin Nina. Doch selbst die kann nicht helfen, als die unglaubliche Nachricht eintrifft: Amra soll abgeschoben werden. Amra, die in Deutschland geboren ist, weder die Sprache ihrer „Landsleute“ spricht, noch jemals den Boden des Kosovo betreten hat, soll von fort an dort leben. Obwohl ihr großer Freundeskreis verschiedene Pläne ausheckt, um die Abschiebung zu verhindern, hat am Ende das Gesetz das Sagen. In ihrer „Heimat“ angekommen bemerkt Amra sehr schnell, dass im Kosovo ganz andere Sitten herrschen. Als Frau scheint sie dort weder Rechte, noch Chancen zu haben – und Autos reparieren, das kann sie schon gar nicht. Nach kurzem Überlegen kommt sie zum Entschluss, dass es nur eine erträgliche Lösung gibt; die von Amra zu Amir zu werden. Ob das normal ist, dass es sich auch noch so richtig gut anfühlt ein Mann zu sein? 

Zu Beginn des Buches fragte ich mich kurz, wie es Maria Braig denn gelingen würde zwei Themen, die aktueller denn je sind (die Abschiebung und die Geschlechterrollen) in eine Geschichte zu verpacken. Im Laufe dieser fließen allerdings beide ganz natürlich in einander, so, dass die Geschichte für den Leser sehr nachvollziehbar ist. Die rebellische Amra, sowie der tapfere Amir wachsen dem Leser schnell ans Herz und so fiebert dieser von Anfang bis zum Ende mit. Dadurch, dass dieser Roman so realitätsnah ist, geht er besonders unter die Haut. Eine Kleinigkeit fand ich etwas unrealistisch; und zwar, dass sich ständig alle jungen Menschen im Roman bei Menschenrechtsorganisationen engagieren. Ich denke, dass es in Wirklichkeit zwar viele gibt, die das gerne tun würden – durch den Aufbau unserer Gesellschaft werden sie aber quasi dazu gezwungen sich mehr mit sich selbst, als mit anderen zu beschäftigen. Selbst in meinem eigenen Bekanntenkreis, der aus vielen kritisch denkenden Personen besteht, gibt es wenige, die es schaffen sich aktiv in einer Organisation zu engagieren. 
Interessant ist, dass die Autorin Kapitel für Kapitel aus einer anderen Perspektive erzählt. So erhält der Leser Einblick in die Gedankenwelt verschiedener Charaktere, so zum Beispiel auch in die traditionelle Sichtweise des Onkels. Maria Braig ist es (wieder einmal) gelungen den Leser zum Nachdenken zu bringen, der von der ersten bis zur letzten Seite auf einen guten Ausgang der Geschichte hofft – ein bisschen so wie Amra und Amir – und viele Menschen, denen ihr vielleicht bereits begegnet seid und die zwischen Angst und Erwartungen im Ungewissen über Schicksal leben.