Rezension

Maries Ausweg

Ponts de Paris - Mara Ferr

Ponts de Paris
von Mara Ferr

Bewertet mit 5 Sternen

Marie lebt seit acht Jahren als Obdachlose unter den Brücken von Paris.
Ihr Mann, ein Schönheitschirurg, hatte ihr nach seinem Tod einen Berg Schulden hinterlassen und Marie verlor buchstäblich alles, was ihr Leben bis dahin ausgemacht hatte und sah sich zu guter letzt mittellos mit einem Leben auf der Straße konfrontiert, ohne Aussicht, dem je wieder entfliehen zu können.
Doch eines Tages erhält sie ein Angebot, dessen Tragweite sie erst langsam begreift. Sie soll dem Bordell eines reichen Geschäftsmannes vorstehen, der ihr sehr bald klarmacht, dass nicht nur ihr eigenes Leben keinen Pfifferling mehr wert ist, wenn sie sich nicht seinen Anordnungen beugt, sondern dass auch ihr Sohn und dessen Familie sterben müssen.
So fügt sich Marie vorerst; doch ersinnt sie allmählich Wege, ihrem Gefängnis und den tödlichen Machenschaften ihres Auftraggebers zu entkommen....

Man könnte meinen, nicht viel Neues mehr zu erfahren, wenn man einen Kriminalroman aufschlägt. Unzählige sind geschrieben worden, die Themen scheinen erschöpft und wiederholen sich in den unterschiedlichsten Variationen.
"Ponts de Paris" jedoch wartet mit einem Stoff auf, der überraschend neu und in eine Handlung verwoben ist, die aufmerken lässt ob ihrer Originalität!

Dieser Stoff ist ein grausamer, beschäftigt sich mit den, im wahrsten Sinne des Wortes, Niederungen und Abartigkeiten, mit der die Spezies Mensch ihre vermeintliche Vorrangstellung als "Krone der Schöpfung" ad absurdum führt und starke Zweifel an das Gute aufkommen lässt.

Wäre da nicht Marie, die alleinige Hauptfigur des gewandt geschriebenen, sehr spannenden und psychologisch ausgefeilten Kriminalromans, der in einem den meisten Touristen unbekannten Paris angesiedelt ist, dem Paris der Armen, der von einer satten, gutbürgerlichen Gesellschaft Ausgestoßenen.
Marie, die ohne Verschulden auf der niedrigsten Stufe der sozialen Skala gelandet ist, bemüht sich darum, dennoch ihre Würde zu bewahren und anständig zu bleiben. Weder verfällt sie dem Alkohol oder den Drogen noch verkauft sie ihre Seele dem Teufel.
Sie bleibt mitleidend und mitfühlend - und als sie gar nicht mehr weiterweiß, stellen sich ihr zwei imaginäre "Helfer" zur Seite, deren Stimmen nur sie alleine hören kann, mit denen sie lebhafte Diskussionen führt und die sie davor bewahren, den Verstand zu verlieren und dazu ermutigen, ihre logischen Fähigkeiten und ihren Einfallsreichtum zu reaktivieren und schließlich eigenständig zu gebrauchen.

Marie überlebt dank dieser Helfer, die in Wirklichkeit Teil ihrer selbst sind, die tief aus ihr heraus kommen, aus dem Menschen, der sie vielleicht einmal war oder eigentlich ist, und zu dem sie wieder zurückzufinden lernen muss.

Mara Ferr ist in der Tat ein außergewöhnlicher Kriminalroman gelungen!
Sie hat Marie so liebevoll und feinfühlig und doch so realistisch gezeichnet, dass ihr mein Herz sofort zuflog, dass ich ihren beschwerlichen und mutigen Weg, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen, nicht nur als Zuschauer verfolgte, sondern bis zum Ende des Buches mit ihr ging, - um die Hoffnung auf das kleine Glück bangend, die Marie während der ganzen Zeit, die sie für ihren Arbeitgeber, diesen Teufel in Menschengestalt tätig sein musste, aufrecht hielt, die ihr half, nicht aufzugeben.

Möge sich ihr Traum von einem Häuschen auf dem Land, weitab von Paris, das ihr nie zur Heimat wurde, nicht werden konnte, schließlich erfüllen!