Rezension

Martha Lost und das Herz des Lime-Street-Bahnhofs

Das Fundbüro der Wünsche
von Caroline Wallace

Bewertet mit 5 Sternen

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Martha Lost ist ein zauberhaftes 16-jähriges Mädchen, das bei der Leiterin des Fundbüros im Lime-Street-Bahnhof von Liverpool lebt. Sie selbst ist als Baby als Fundsache hier gelandet und „Mutter“ erzählt ihr seither, dass sie Martha nach der 90-Tages-Frist ausgelöst und behalten hat. Martha hofft noch immer, dass ihre leibliche Mutter sie abholen wird. Als „Mutter“ stirbt, will die Verwaltung Martha hinauswerfen, wenn sie nicht innerhalb von sechs Wochen ihre Sozialversicherungsnummer und eine Kopie der Geburtsurkunde vorweist. Also macht Martha sich auf ihre ganz eigene Weise auf die Suche nach ihrer Identität – und wird dabei von den Menschen, die ihre Welt sind, unterstützt: Elisabeth, die Café-Besitzerin, George, der immer eine römische Legionärsuniform trägt, William, der selbst verlorengegangen ist, Drac, dem Briefträgern und einigen anderen Personen, die ihr Leben kreuzen. Martha macht erstaunliche Entdeckungen …

 

Wo soll ich anfangen, wie wunderbar, wie zauberhaft dieses Buch ist? Jede Seite davon habe ich geradezu inhaliert. Auf Anhieb hat mich Caroline Wallace in die kleine Welt von Martha Lost gezogen und ich wollte gar nicht mehr raus aus ihr. Diese Zeitreise in die 70er Jahre nach Liverpool habe ich ohne jede Einschränkung absolut genossen.

 

Die Autorin schafft es, dass der Leser alles auch noch so absurde gern als gegeben nimmt und nicht in Frage stellt. Die Zeitungsartikel zwischendurch passen ebenso gut in die Story, wie die Plakate von Martha, mit der sie mit Anonymus in Kontakt tritt. Man möchte Martha so gern all die Liebe geben, die sie nie bekommen hatte, freut sich mit ihr über die kleinen und großen Wunder, die ihr begegnen und möchte Teil ihres Märchens sein. 

 

Die Geschichte ist aus Marthas Sicht in der Ich-Form geschrieben und spricht so den Leser direkt an, ganz ohne Umwege landet sie im Herzen. Dabei ist es ein Buch, das ganz viel im Gepäck hat. Themen wie Identitätsfindung, Missbrauch, Misshandlung, Betrug finden sich mit eingewoben in eine märchenhafte Bahnhofs-Geschichte. Trotzdem oder gerade deshalb ist dieses Buch großartig!

 

Die Charaktere sind kunterbunt gemischt. Es gibt die neugierige Kiosk-Besitzerin, die liebenswerte Cafébetreiberin, den immer wachsamen römischen Legionär, den unsichtbaren George, den durchtriebenen Max, die hartherzige, bigotte Mutter. Ganz klar, wie man seine Sympathien verteilt. Aber das stört mich nicht – es darf, wenn alles passt, auch einmal ganz deutlich in Gut und Böse aufgeteilt werden.

 

Marthas „Mutter“ hat sie mit der Behauptung, sie sei der Liver-Bird vom Lime-Street-Bahnhof und ihrem religiösen Wahn, quasi im Bahnhof eingeschlossen. Martha kennt die Welt außerhalb des Bahnhofs nur von Büchern. So kämpft sie jetzt nicht nur um ihre Identität, sondern auch um ein ganz normales Leben, das auch beinhaltet, den Bahnhof auch verlassen zu können. Martha hat eine ganz besondere Gabe, die ihr ermöglicht, die Geschichten der verlorenen Gegenstände zu sehen. Und Martha ist nicht dumm. Sie findet immer wieder einen Weg, ihr Schicksal zu meistern. Langsam, Schritt für Schritt, löst sich Martha von den unsichtbaren Fesseln, die „Mutter“ ihr all die Jahre angelegt hatte. Diese Entwicklung zu sehen, ist wunderbar, auch wenn Martha zunächst mal alles falsch macht und wieder ausgenutzt wird, nur von jemandem anderen. Doch genau das gehört zu Entwicklungen ja dazu.

 

Wunderbar finde ich auch Marthas Lieblingskuchen: Zitronenstreußelkuchen. Was anderes könnte der Engel vom Lime-Street-Bahnhof auch gerne essen?

 

Wenn man dann noch bedenkt, dass dies ein Debüt ist, fragt man sich, was danach wohl noch kommen wird. Ich jedenfalls habe eine neue Lieblingsautorin gefunden und bedanke mich hier ganz herzlich bei ihr für das wohl zauberhafteste Buch, das ich je gelesen habe! Fünf Sterne, ganz klar!

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