Rezension

Mehr als nur ein Frauenroman

In einem anderen Licht - Katrin Burseg

In einem anderen Licht
von Katrin Burseg

Bewertet mit 4 Sternen

Was ist WAHRHEIT? Diese Frage versucht die Hamburger Schriftstellerin Kerstin Burseg (46) in ihrem neuen Roman "In einem anderen Licht" zu klären, der im September im List-Verlag (Ullstein) erschien. In der berührenden und einfühlsam geschriebenen Geschichte um die junge Witwe Miriam, Redakteurin einer Frauenzeitschrift, und ihrem erst fünfjährigen Sohn Max wird bald deutlich, dass Wahrheit und Wahrhaftigkeit recht subjektive Ansichten sind. Zwar geht es auch in diesem Roman, der uns in den "deutschen Herbst", also in die Zeit des RAF-Terrorismus' zurückführt, geht es vordergründig um Liebe und Verrat. Aber dennoch finde ich das Buch wirklich "unter Wert verkauft", wenn sogar der Verlag es als "Frauenunterhaltung" einstuft. Bursegs Roman ist viel mehr als das und sollte auch von Männern gelesen werden. Und dies, obwohl ausnahmslos Frauen die Hauptpersonen sind, Männer nur Randfiguren bleiben. Neben Miriam ist die großherzige Hamburger Reeders-Witwe Dorothea eine der wichtigen Protagonistinnen, die mit den Millionen ihres längst verstorbenen Mannes versucht, Gutes zu tun und helfende oder Hilfe suchende Menschen zu unterstützen. Doch schon nach ersten Recherchen zur Vita der Mäzenin beginnt der glänzende Lack am Wohltäter-Image zu bröckeln - und es zeigt sich ein bisher gut verborgenes Stück unliebsame, verdrängte Vergangenheit aus Jugendtagen kommt zum Vorschein. Dorothea muss sich im Alter einem Vorwurf stellen: »Sie hat uns verraten. Sie hat alles verraten, was ihr heilig war.« Muss man die hochgelobte, großherzige Mäzenin jetzt - nach Kenntnis ihrer unrühmlichen Vergangenheit - plötzlich verurteilen, sie völlig anders sehen? Bursegs Roman zeigt auf anschauliche und leicht nachvollziehbare Weise, wie verschiedene Menschen mit ihrer Vergangenheit leben, leben müssen und unterschiedlich mit ihr umgehen. Beurteilen wir einen Menschen nach seinen längst verjährten Jugendsünden oder nach dem, der er heute ist? Darf man einen Menschen auch noch nach 40 Jahren für etwas verurteilen,was er längst bereut hat? "Wie verändert die Zeit die Perspektive, aus der heraus wir Gewald wahrnehmen und beurteilen?" fragt die Autorin in ihrem Nachwort. Darf man oder muss man nach vier Jahrzehnten einen Menschen "in einem anderen Licht" sehen? Ein aktueller Roman in Zeiten internationalen Terrors. Deshalb: Nicht nur für Frauen LESENSWERT.