Rezension

Mehr als nur ein Histokrimi

Sein blutiges Projekt - Graeme Macrae Burnet

Sein blutiges Projekt
von Graeme Macrae Burnet

Bewertet mit 5 Sternen

~Sein blutiges Projekt ist kein gewöhnlicher Histokrimi, wie man aufgrund der Buchbeschreibung denken könnte.
Schließlich stand der Roman auf der Shortlist des Man Booker Prize und da befinden sich anspruchsvolle Bücher, die oft gesellschaftlich relevante Themen hat. Ich finde, dass sich Graeme Macrae Burnets Buch zurecht in dieser Umgebung befindet.

In der überwiegend neutralen Betrachtungsweise wird auch eine gehörige Spur Sozialkritik deutlich.

Ganz klar wird mir nicht, ob es den Fall Roderick Macrae wirklich gab oder ob es sich hierbei um ein Spiel um Fakt und Fiktion handelt. Ich bezweifle, dass die vielen Berichte echt sind, authentisch wirken sie aber auf jedem Fall.
Die Qualität des Textes ist zudem, dass man während des Lesens kaum etwas in Frage stellt, da man von der Handlung völlig gefesselt ist.

Das Schottland des 19 Jahrhundert wird in Sprache und Lebensbedingungen glaubhaft vermittelt. Auch die Figuren wirken realistisch. Als Leser entwickelt man Verständnis für die Hauptfigur, wobei der Autor es vermeidet sich festzulegen, inwieweit Roddy zu seiner Tat getrieben wurde und wie weit er verantwortlich ist. Er hatte Talente und möglicherweise hätte er sich woanders weiter entwickeln können. Sein Lehrer glaubte an ihn. Daher ist seine blutige Tat auch für ihn selbst eine überaus tragische.
Neben Roddys eigenen Bericht gibt es auch weitere Erzählstimmen, die durch Berichte und Zeugenaussagen eingebunden werden. Höhepunkt des Buches ist dann der lange Prozess, in der Roddys Schuldfähigkeit verhandelt wird. Es geht um sein Leben. Die Todesstrafe droht und im 19.Jahrhundert gab es noch keine Möglichkeit, Revision gegen ein Urteil einzulegen.
Roddys Anwalt legt sich ins Zeug.

Der Autor hat die Fähigkeit, deutliche Bilder im Kopf seiner Leser zu erzeugen. Die Gerichtsverhandlung konnte ich mir ebenso gut vorstellen wie das harte und karge Leben im schottischen Dorf. Die Szene mit Roddy und dem verletzten Schafbock, den er von seinen Leiden erlöste ist ein weiteres Beispiel für die literarische Eindringlichkeit, die Graeme Macrae Burnet vermittelt. Dieser Autor ist eine Neuentdeckung! Hoffentlich wird sein erster Roman „The Disappearance of Adèle Bedeau“ auch noch auf Deutsch erscheinen.