Rezension

mehr als "nur" ein Krimi

Kühn hat Ärger
von Jan Weiler

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es kommt nicht von ungefähr, dass die beiden Krimis mit und um Kommissar Kühn seinen Namen auch im Titel tragen. Sie sind schon ziemlich „persönlich“. Zeitweise hatte ich den Eindruck, seine Persönlichkeit und sein Umfeld nimmt einen größeren Raum ein als der Krimiplot. Aber ich mag das, und die Krimihandlung  hat mir auch hier wieder ausgesprochen gut gefallen, obwohl es eine ganze Weile dauert, bis sie in Fahrt kommt.

Kühn hat zu tun würde auch hier wieder passen, Kühn hat Ärger allerdings ebenso gut. Er ist nicht nur mit dem aktuellen Fall beschäftigt, der ihn nicht unberührt lässt. Ein Fall, der ihm, so seltsam das jetzt klingt, erstaunliche Einblicke in die Welt der Reichen und Schönen verschafft. Am Rande ist er noch in eine Supermarkterpressung involviert, mit möglichen Gesundheitsproblemen konfrontiert und dem weiterhin ungelösten baulichen Schlamassel auf der Weberhöhe. Sorge um seine Ehe treibt ihn um und zu allem Übel muss er noch eine ihm verhasste „Führungskräftetagung“ besuchen. Es ist also allerhand los J.

Ruhig, sorgfältig und einfühlsam erzählt Jan Weiler eine fesselnde und betroffen machende Geschichte. Als Amir und Julia sich begegnen, funkt es auf der Stelle zwischen den beiden. Der nach außen so megacoole Amir verliebt sich zum ersten Mal, ausgerechnet in eine Tochter aus „bestem Hause“. Was nun in ihm vorgeht liest sich herzergreifend. Dieser rotzige Typ verändert sich und es verblüfft, wie scheinbar problemlos er in das Leben der van Hautens integriert wird. Eigentlich zu schön um wahr zu sein. Und in meine Freude über seine gewandelte Einstellung zum Leben schlich sich zunehmende Beklemmung…

Am Beispiel der prosperierenden Metropole München zeigt der Autor die tiefen Risse in der Gesellschaft auf und spiegelt diverse Facetten großstädtischen Elends. Verzweifeltem Existenzkampf steht ans absurde grenzender Luxus gegenüber. Er tut das mal mit beißender Schärfe und Ironie, mal eher melancholisch. Aber meist ohne explizit zu werten oder zu urteilen.

Kühn hat einen Blick für Details, ist ein sensibler Polizist mit Sinn für Gerechtigkeit und mit einem Herz für die Menschen am Rande der Gesellschaft. Aber nicht weich, er kann auch „klare Kante“, wenn er es für angebracht hält. Das alles zusammen macht ihn zu einem erfolgreichen Ermittler. Vordergründig einfache Auflösungen sind nicht sein Ding und beharrlich setzt er auch hier Puzzleteil für Puzzleteil zusammen bis er weiß, was genau geschehen ist. Auch wenn die Auflösung nicht wirklich überrascht, so bleibt einem doch die Spucke weg und ein Grauen, das so schnell nicht schwindet.

Wie gesagt, Kühns Privat- und Innenleben prägen die Geschichte, was mir prinzipiell gut gefällt, denn ich mag ihn und seine Sicht auf die Dinge. Doch so ungefähr in der Hälfte gab es eine Szene, die ich echt bizarr und auch wenig glaubwürdig fand. Aber o.k. – ich bin auch kein Mann, vielleicht passt es ja doch *g*.

Am Ende ist der Fall gelöst, Die Probleme auf der Weberhöhe finden hier ihre Fortsetzung und spitzen sich zu, aber es bleibt einiges offen, gerade in Kühns privatem Bereich: Wie geht es weiter mit den Problemen auf der Weberhöhe, dazu gab es hier eine kleine Perspektive, die aber nicht weiter ausgeführt wurde, etwas, das Kühn möglicherweise aus diesem Fall für sich und die Nachbarn der Weberhöhe mitnehmen konnte.  Kriegen er und Susanne noch einmal die Kurve in ihrer Ehe? Rafft er sich endlich auf und geht zum Arzt? Und erhält er die erhoffte Beförderung oder doch einer seiner Kollegen. Fragen, die einer Beantwortung im nächsten „Kühn“ harren. Ich freu mich jetzt schon drauf. Der zweite Fall hat mir fast noch besser gefallen als der erste, ist allerdings schon eine ganze Weile her, dass ich den gelesen habe. Jan Weiler lässt sich damit ordentlich Zeit, was der Qualität allerdings nicht geschadet hat.