Rezension

Mehr Aufmerksamkeit für "Feuer & Flut"!

Feuer & Flut - Victoria Scott

Feuer & Flut
von Victoria Scott

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt
Als die 17-jährige Tella eine Einladung zum mysteriösen Brimstone Bleed erhält, weiß sie, was zu tun ist: Sie wir die Einladung annehmen - selbst wenn sie sich damit in Lebensgefahr begibt. Viele Generationen vor ihr haben an dem Wettrennen durch Dschungel und Wüste teilgenommen und nur die wenigsten haben überlebt. Für Tella ist es jedoch die einzige Chance, ihrem Bruder zu helfen. Denn dem Gewinner des Brimstone Bleeds winkt ein Heilmittel für einen geliebten Menschen.
Zur Seite steht ihr ihr Pandora Madox, ein genetisch verändertes Tier, das ihr im Wettkampf helfen soll. Doch Tella ist nicht die Einzige, die bereit ist, für einen geliebten Menschen alles zu riskieren. Die anderen Teilnehmer sind mindestens genauso fest dazu entschlossen, zu gewinnen, und kämpfen mit allen Tricks.  Ausgerechnet in dieser Wildnis, umgeben von allerlei unbekannten Gefahren und Menschen, die ihr jederzeit in den Rücken fallen können, verliebt sie sich in Guy. Bei ihm fühlt sie sich geborgen, ihm kann sie vertrauen - zumindest glaubt sie das. Doch am Ende des Tages ist und bleibt er ihr Gegner, denn es kann nur einen Sieger geben.

Meinung
Aufgrund der gewaltigen Dimension, die das Dystopie-Genre inzwischen angenommen hat, ist es für Autoren schwer, etwas komplett Neues, Revolutionäres zu schaffen. Victoria Scott ist das meiner Meinung nach jedoch ziemlich gut gelungen. Natürlich erinnern einige Elemente an andere Titel des Genres (zum Beispiel der tödliche Wettkampf an Tribute von Panem oder Maze Runner) und die klassischen Machtstrukturen (die Puppenspieler und ihre vermeintlichen Marionetten) bleiben unangetastet. Trotzdem hebt sich "Feuer & Flut" in einigen Punkten von seinen Mitstreitern ab.
Das Brimstone Bleed beispielsweise ist in dieser Art und Konstellation für mich als Leserin neuartig gewesen, auch wenn natürlich Ähnlichkeiten zu den oben genannten Reihen bestehen. In der Anfangsphase war ich ein bisschen überfordert, da ich nicht genügend Informationen über die Welt und die Hintergründe des Wettrennens hatte. Es dauert ein wenig, bis man über das Konzept und das Warum aufgeklärt wird. Wesentlicher Bestandteil des Rennens sind die sogenannten Pandoras, genetisch veränderte Wesen (meistens in Tiergestalt), die aus einem Ei schlüpfen und verschiedene Fähigkeiten besitzen, mit denen sie ihren Besitzer beim Wettrennen hilfreich zur Seite stehen. Dieser Einfall hat mir sehr gut gefallen. Zum einen, weil die Teilnehmer so nicht allein sind und tatsächlich eine Überlebenschance haben (denn ganz ehrlich: Tella wäre wohl ohne ihren Pandora ziemlich aufgeschmissen gewesen). Zum anderen, weil sich dadurch vielfältige Möglichkeiten für die Geschichte ergeben. Die Pandoras sind nicht einfach nur ein nettes Accessoire, sondern spielen eine wesentliche Rolle im Storyverlauf, können gleichermaßen Waffen und Retter, Peiniger und Opfer sein, was sie zu komplexen Mitstreitern macht. Sie fügen der Geschichte eine interessante Facette hinzu.

Ein weiterer Unterschied zum typischen Dystopieverlauf ist, dass bisher noch keinen Kampf gegen die Initiatoren des Wettbewerbs stattgefunden hat. Es herrscht zwar ein Wir-gegen-Die-Gefühl vor, aber der Fokus liegt im ersten Band mehr auf dem Überlebenskampf in den verschiedenen Landschaften, die Teil des Wettrennens sind. Dadurch mutet der Auftakt eher wie ein Abenteuer-/Action-Roman an, denn wie eine Dystopie. Die Zeichen stehen aber gut, dass sich die Reihe in den Folgebänden in die gewohnte Richtung entwickelt.
Wenngleich man im Verlauf der Handlung eine Handvoll anderer Person näher kennenlernt (und damit meine ich nicht, dass Victoria Scott bei ihnen nur an der Oberfläche kratzt, sondern tatsächlich versucht, ihre Backstory, ihren Antrieb und ihre Wesenszüge herauszuarbeiten), beschränke ich mich in Bezug auf die Charaktere an der Stelle auf die beiden Hauptfiguren, Tella und Guy. Ich kann nicht genau bennenen, woran es lag, aber es hat ein wenig gedauert, ehe ich mit Tella warm geworden bin. Möglicherweise lag es daran, dass sie am Anfang eher einen oberflächlichen Eindruck auf mich gemacht hat. Sie ist eines dieser Mädchen, den Make-Up und Outfits sehr wichtig sind - oder zumindest war sie das Mal. Sobald sie aber in die Wildnis aufgebrochen ist, beweist sie innere Schönheit und Charakterstärke. Allein die Entscheidung, sich in Gefahr zu begeben, um ihrem Bruder zu helfen, zeugt von tiefem Mitgefühl, Loyalität, Mut und Kampfeswille. Ihr Verhalten während des Wettrennens holt diese Eigenschaften endgültig an die Oberfläche. Zwar schließt sie sich in erster Linie den anderen Wettstreitern an, um möglichst lange ihr eigenes Überleben zu sichern, aber sie gibt sich auch Mühe, ihre Teammitglieder kennenzulernen und zu verstehen. Sie setzt sich für sie ein, und das ist es, was am Ende zählt. Insgesamt hat mir ihr Wandel vom Prinzesschen zur Überlebenskünstlerin imponiert. Besonders süß fand ich, wie liebevoll sie mit ihrem Pandora umgegangen ist. Jemand, der eine solche Bindung zu einem anderen Lebewesen aufbaut, kann einfach kein schlechter Mensch sein.
Guy war als männlicher Protagonist ganz nach meinem Geschmack: Er ist der starke, schweigsame, distanzierte Typ, aber auch ebenso empathisch, intelligent und immer versucht, das Richtige zu tun - auch wenn es am Anfang nicht danach aussieht. Er ist ganz klar eine Heldenfigur und eben deswegen perfekt für die Story geeignet. Ich kann auch sehr gut verstehen, warum sich Tella so zu ihm hingezogen fühlt. Ich empfand es als angenehm, dass sich die beiden eher zaghaft einander annähern. Sie bauen zuerst Vertrauen zueinander auf, ehe wirklich etwas passiert, und es ist auch nicht so, dass sie ihre ganze Welt nur noch um einander dreht. Beide sind sich bewusst, was für sie auf dem Spiel steht, denn schließlich nehmen die zwei nicht grundlos an dem Wettrennen teil. Ich sehe da noch einiges an Konfliktpotenzial in der Zukunft.

Fazit
"Feuer & Flut" ist für einen Reihenauftakt super gelungen, denn der Roman verfügt über alle wichtigen Zutaten: eine kämpferische, unperfekte und damit sympathische Protagonistin, interessante Nebencharaktere, neuartige Dystopie-Elemente, einen guten Spannungsbogen mit größeren und kleineren Schockerlebnissen, etwas Romantik und der Andeutung eines Widerstandskampfes. Mich hat Victoria Scott damit auf jeden Fall geködert und meiner Meinung nach verdient die Reihe einfach mehr Aufmerksamkeit!

Rezension auf Buntes Tintenfässchen