Rezension

Mein persönliches Highlight aus dem Schaffen Kings

Todesmarsch - Stephen King

Todesmarsch
von Stephen King

Bewertet mit 5 Sternen

Kenner der Materie wissen natürlich, dass hinter dem Pseudonym Richard Bachman der Horror-Star Stephen King steckt. Kenner der Materie wissen genauso, dass die als Bachman geschriebenen Romane sich streckenweise deutlich von dem unterscheiden, was man heute von King erwarten würde. “Todesmarsch” ist einer dieser Romane, die eigentlich gar nichts mit dem Horror-Genre zu tun haben.

Man kann fast sagen, dass “Todesmarsch” einer der geradlinigsten Romane des Autoren ist. Anders als in vielen seiner aktuellen Werke verzettelt sich King nicht in haufenweise unterschiedlichen Nebenhandlungen, die in ihrer Summe oftmals dazu angetan sind, den Leser etwas vom roten Faden seiner Bücher abzulenken. Hier schreibt er fokussiert auf seine Hauptfigur Ray Garraty, wenn auch öfters unterbrochen von Rückblenden auf dessen “normales” Leben vor dem Marsch. Der Geschichte tut das unglaublich gut, denn auf diese Art gibt es nur wenig, was von dem Grauen, welches die 100 Teilnehmer zwangsläufig umgibt, ablenken würde. Das hat zur Folge, dass man geradezu in die eigentlich sehr nüchtern und sachlich erzählte Geschichte hineingezogen wird – und schließlich auch bis zum Schluss mit ihren Figuren leidet und fiebert. Hat die Spannung den Leser erst einmal gepackt, wird sie ihn nicht mehr loslassen, man will unbedingt Gewissheit darüber erlangen, wer den “Todesmarsch” gewinnen wird. Ganz nebenbei entdeckt man auch noch wunderbare Parallelen auf die Medien von heute. Zwar geht man noch nicht ganz so weit wie in diesem Buch, aber die Richtung, die King hier vorgegeben hat ist schon gewissermaßen erschreckend, wenn man sich Ekel-/ Trash-TV wie das allseits beliebte Dschungel-Camp vor Auge führt.

Was nun die Protagonisten selbst angeht, hält Bachman sich in seinem Werk vergleichsweise bedeckt. Wie ich eben schon erläuterte, verzichtete er auf ausschweifende Nebenhandlungen, was natürlich zur Folge hat, dass auch die Nebenfiguren eher schwach ausgestattet sind. Man erfährt nur so viel über sie, wie sie der Hauptfigur Garraty in ihren kurzen Gesprächen von sich erzählen. Eigentlich schade, auf der anderen Seite jedoch passt das sehr gut in das Konzept von “Todesmarsch”, schließlich muss man sich immer wieder vor Auge halten, dass auf der einen Seite jeder Teilnehmer potentiell den Tod bedeuten kann – und auf der anderen Seite ist da dann diese Gewissheit, dass man ohnehin nicht lange miteinander befreundet sein wird. Perfides Detail am Rande ist dabei übrigens, dass jeder aus meinem Umfeld, der das Buch gelesen hat sich (wie auch ich) dabei erwischt hat, dass er mit sich selbst Wetten darauf abgeschlossen hat, welcher der Jungs als nächster sterben wird.

Stilistisch mag man über Stephen King denken, was man möchte. Wichtig dabei ist jedoch, dass man sich von diesem Vorwissen befreit, denn nicht nur in der Ausgestaltung der Handlung, sondern auch in der Art zu schreiben hat der Autor sich bei “Todesmarsch” relativ bedeckt gehalten. Im Vergleich zu seinen aktuellen (und auch einigen der älteren) Bücher möchte man seinen Stil hier fast schon als etwas puristisch bezeichnen – was man nun aber nicht unbedingt negativ interpretieren sollte, denn er passt gut zu der knallharten Handlung, welche sich aber eben auch auf das Wesentliche beschränkt. Fans des “typischen” Kings sei also die Warnung mit auf den Weg gegeben, dass die Wahl des Pseudonyms Richard Bachman in diesem Fall eine absolut naheliegende Wahl gewesen ist und, ähnlich wie auch in den Romanen “Amok” oder “Sprengstoff” deutlich darauf hinweist, dass man es hier im weitesten Sinn doch mit einer anderen Person zu tun hat.

Fazit:

“Todesmarsch” zählt zu meinen absoluten Favoriten aus dem Schaffen Stephen Kings, auch – oder vielleicht gerade weil – wenn er sich schon von seinem bekannten Stil unterscheidet. Für mich hat dieses Buch alles, was eine spannungsgeladene Dystopie ausmacht, ohne dabei ausufernd zu werden. Mittlerweile habe ich übrigens das zweite Exemplar im Schrank stehen, das erste war nach 10 Lesedurchläufen doch etwas… “mitgenommen”. Uneingeschränkt empfehlenswert, absolutes Lieblingsbuch.