Rezension

Meine moralischen Bedenken habe ich über Bord werfen müssen...

Naked at Lunch - Mark Haskell Smith

Naked at Lunch
von Mark Haskell Smith

Bewertet mit 4 Sternen

... obwohl eine Unmenge schlenkernder Penisse, hängender Säcke und baumelnder Brüste mich sehr wohl darin hätten bestärken können. Aber wenn man mit einem Nacktforscher in der Welt der Nudisten unterwegs ist, kommt man ohne entblößende Tatsachen wohl nicht weiter.

Naked at Lunch von Mark Haskell Smith wartet zwar mit all diesen peinlichen Begrifflichkeiten auf, dafür entschuldigt sich der Verlag aber mit der Geste, dass dieses Buch schließlich in der Hardcore-Abteilung zu finden ist und deshalb der Leser selbst dafür verantwortlich ist, was er sich zumutet.

Die einzige Zumutung war der Kauf dieses Buches in einer christlichen Buchhandelskette. Ich musste es schließlich unter einem Stapel hoch sittlicher Wissenschafts-und Lehrbücher versteckt durch die Kasse bringen.

Aber das war nicht nötig, nicht hier in Deutschland, nicht im Erfinderland der Nacktkultur. Das allerdings ist mir erst nach der Lektüre klar geworden. Pech gehabt, oder nein, Glück gehabt, dass ich es trotzdem gekauft und gelesen habe. Denn Herr Smith versteht es ein Thema zu Buche zu bringen, welches bei manchen Menschen nur ein Kopfschütteln verursacht, andere gleich Alarm schlagen lässt. Dabei geht es einzig und allein ums Nacktsein.

Smith hat sich auf dem Weg gemacht und Nudisten auf der ganzen Welt besucht, mit ihnen gesprochen, es selbst ausprobiert und schreibt über seine Erfahrungen, Unterschiede zwischen den verschiedenen Vereinigungen und Clubs und die Enstehungsgeschichte dieser Bewegung. Er war auf einer Kreuzfahrt mit Nackerten, ist im Adamskostüm in den Alpen wandern gewesen und hat Kopf und Kragen dabei riskiert, abgelegene Strände für Bekleidungsfreie zu erreichen. Das Damoklesschwert des Sonnenbrandes hing dabei immer zuverlässig über den Hellhäutigen.

Er schreibt mit herrlichem Humor und weiß um die Gewohnheit des Lesers, erst bei Reizwörtern hellhörig zu werden. "Für alle, die gerade erst zugeschaltet haben:..." markiert dann auch eine Passage über Hitler. Geniale Sprachbilder wie "Wie bei der Zeitrafferaufnahme eines schmelzenden Gletschers ist die Lockenpracht rings um unsere Genitalien langsam immer mehr zurückgewichen...", verbreiten beim Lesen gute Laune. Und so fällt es auch nicht schwer, die wichtigen Dinge nicht zu übersehen, nämlich dass unsere Haut, befreit von jeder Textilie, besser arbeitet als jedes Thermostat und so manchen Temperaturausgleich locker bewältigt.

Hier in Deutschland gehen wir ja relativ locker mit dem Thema Nudismus um, aber das ist nicht überall auf der Welt so. Deshalb war es mir ein großes Vergnügen zu erfahren, wie es andernorts zugeht und welche Lösungen gefunden wurden, damit sich andere nicht belästigt fühlen. Politisch aktive Gruppen wie Femen und Peta werden auch angesprochen und deren Ziele aufgezeigt. Die Welt des Nacktseins ist groß und vielfältig und alle haben eine Daseinsberechtigung.

Und Hardcore? Nein, das ist defintiv kein Hardcore. Vielmehr eine schon lange existierende Bewegung, die man für ihren Mut und ihre Beharrlickeit bewundern sollte und deren Lehren ein paar gute Argumente aufweisen, über die man ruhig mal nachdenken kann. Aber keiner muss, jeder kann!

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 02. Mai 2018 um 08:01

Auf diese Besprechung habe ich mit Spannung gewartet und sie deshalb sofort gelesen! Welche Kette war das denn? *unschuldiguck*. Dein nächster Fkk-Urlaub ist damit gebucht, oder? Jedefalls: Nackt wandern in den Alpen kommt mir schon abartig vor, der Rucksack schnürt doch furchtbar ein.

Emswashed kommentierte am 02. Mai 2018 um 08:25

Nackt duschen ist viel schlimmer, da wird man nämlich überall nass! ;-)